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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Mann lächelte sie an, als ihr Blick ihn traf. In den Dreißigern, glänzender, teurer Anzug, ein angenehmes, eingeübtes Lächeln und ein Glas Weißwein in der Hand.
    »Sie sitzen hier schon eine Weile allein«, sagte er in makellosem, französisch gefärbtem Englisch. »Könnte ich Sie auf …«
    »Verpiss dich.«
    Wäre der Befehl ein Messer gewesen, hätte es ihn entzweischneiden können.
    »Okay«, murmelte er und ging weg.
    Sie atmete langsam ein, unangestrengt wieder aus und ließ bewusst die Schultern sinken. Es war die Chance ihres Lebens, und sie bekam immer mehr das Gefühl, dass Geiger vorn in der Fahrerkabine und sie hinten im Salonwagen saß, an ihrem Kaffee nippte und zusah, wie die Landschaft vorbeizog – ohne zu wissen, wann die Fahrt beendet war.
    Und wo zum Teufel steckte ihr kleiner Bruder?
    Das Taxi fuhr auf die Place Pigalle und folgte dem Kreisverkehr. Victor beugte sich auf dem Rücksitz vor.
    »Arrêtez ici« , sagte er, und der Fahrer scherte aus dem Verkehr aus und hielt vor dem Le Cupidon. Victor gab ihm zehn Euro, stieg aus und ging den Boulevard entlang. Einer der Stripklubs hatte einen Lautsprecher über dem Eingang, und Johnny Hallyday rief über vierzig Jahre hinweg aus einer anderen Welt: »C’est une honky tonk women. Fini, fini, fini le honky tonk blues …« Victor grinste. Welcher Junge in den Sechzigern hatte nicht sein wollen wie Johnny Hallyday? Er hatte sich lange Koteletten wachsen lassen, bis sein Vater nach zwei Wochen Abwesenheit nach Hause zurückkehrte und erklärte: »Rock ’n’ Å roll est merde!«, und seinem Sohn persönlich die Wangen einseifte und ihn rasierte.
    Auf keinen Fall würde er den Türstehern Deweys Beschreibung geben und dann Fragen stellen, denn wenn der Junge tot war, bestand die winzige Gefahr, dass sich später die Polizei nach ihm erkundigte und eine Verbindung zwischen ihm und Dewey zog – und winzig war in diesem Zusammenhang riesig. Er würde einfach die Straße entlangschlendern und die Augen nach dem Wagen offen halten.
    Zannis Geständnis hatte ihn verblüfft und kam ihm sehr seltsam vor. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, dass Blut in der Tat dicker war als Wasser, das Urteilsvermögen trüben und zu unklugen Entscheidungen und Schlimmerem verleiten konnte. Dass ausgerechnet Zanni solch eine Entscheidung getroffen hatte, obwohl sie kalt und hart wie Diamant war … Für Victor hatte das doppelte Konsequenzen. Einerseits musste er gewisse Aspekte ihres Charakters schleunigst neu bewerten, andererseits seine eigenen Instinkte überprüfen. Er hatte mit beiden gearbeitet, und es war ihm nicht ansatzweise in den Sinn gekommen, dass er es mit Bruder und Schwester zu tun haben könnte.
    Er überquerte die Straße und ging zu dem Fußgängerstreifen zwischen den Fahrbahnen, damit er die geparkten Autos auf beiden Seiten sehen konnte, und schritt mit der gebotenen Aufmerksamkeit weiter. Aber immer, wenn er sich Dewey vor Augen rief, sah er ihn nicht im Wagen sitzen und die Straße beobachten oder mit zehn Metern Sicherheitsabstand zu Geiger einen Gehweg entlangschlendern oder in einer Bar etwas trinken …
    Auch wenn es unwahrscheinlich erschien, war es dennoch möglich, dass Geiger sich noch meldete und sie zu dritt ohne Dewey zu Dalton fuhren – die drei Musketiere bei ihrem letzten Abenteuer. Un pour tous, tous pour un … Doch jede Variable, jede einzelne von vielen Ungewissheiten, die diesen Auftrag von Anfang an gekennzeichnet hatten, wirkte plötzlich viel gegenwärtiger. Sie glichen Unkraut in einem Blumenbeet, das imstande war, alles zu ersticken, was sorgfältig geplant und gepflanzt worden war. Daher war sein Job nun der des gnadenlosen Gärtners. Er musste die Teilnehmer mit scharfen, wachsamen Augen beobachten – und falls notwendig, musste er sie mit den Wurzeln ausreißen.
    Zuallererst jedoch musste er ein Lokal finden, wo man ihn ohne Eintrittsgeld pinkeln ließ. Seine Prostata bestimmte immer mehr seinen Tagesablauf.

24
    Als Geiger auf eine Zigarette in den Innenhof trat, zog er als Erstes Schuhe und Socken aus. Die kühle Glätte der Fliesen unter seinen Füßen sandte einen beruhigenden, lockernden Impuls durch seinen ganzen Körper. Er blies eine lange, wattige Rauchfahne, die sich zusammenringelte wie eine verlegene Schlange, in die Nacht. An einer der Stangen des Vordachs hing ein Mobile mit kleinen Messingglöckchen, reglos in der Windstille. Er stieß es mit dem Finger an, und die Glöckchen sangen

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