Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
ich glaube, Herr Kollege?“
„Was?“
„Dass wir es mit einem durch und durch ritualisierten, kranken Gehirn zu tun haben. Ich erkläre es Ihnen gleich. Schauen wir uns das noch einmal im Detail an …“
Sie traten an das Flip-Chart und arbeiteten sich Namen für Namen durch Manets Todesliste. Beide waren sich einig, dass der Sänger wahrscheinlich hatte sterben müssen, weil Manet ihn und Marie-Ange entweder in flagranti erwischt oder sonstige unleugbare Beweise für den Ehebruch gehabt hatte – ein Mord im Affekt, nach dem Manets geistige Gesundheit rasend schnell komplett erodiert war.
„Irgendwo tief in ihm saß aber eine Hemmung, seiner Frau das Gleiche anzutun“, führte die Wölfin ihre Hypothese weiter.
„Das würde passen – er vergötterte sie regelrecht und ist nach ihrem Tod auch ziemlich zusammengebrochen“, warf Mafro ein.
„Möglicherweise hat er sie irgendwie gezwungen“, nahm Geza den Faden wieder auf, „nach außen hin glückliches Eheleben zu spielen. Doch irgendwann kam dann der Tag, da konnte sie nicht mehr, da hielt sie es nicht mehr aus, da wollte sie dieses Monster nur noch loswerden. Sie droht ihm mit Anzeige …“
„… und er verliert die Kontrolle und drängt ihren Wagen mit seinem in den Fluss“, vollendete Fronzac ihren Satz.
„Genau. Aber das ist ein Schock für ihn: Er hat die Frau getötet, die er liebt. Dieser geistig völlig zerrüttete Mensch muss das für sich rationalisieren. Sagen Sie, war Manet eigentlich immer schon religiös?“
„Irgendwie schon, ja“, nickte Fronzac. „Also, er ging in die Kirche, fast jeden Sonntag, wie er sagte, nicht nur wie die meisten Leute an Weihnachten und vielleicht noch an Karfreitag. Und ich erinnere mich, dass ich mal eine Bibel in seiner Schreibtischschublade habe liegen sehen. Kam mir damals ziemlich schräg vor, aber ich habe ihn nicht darauf angesprochen.“
„Ich denke“, sagte die Wölfin, während sie überlegend auf und ab ging, „nachdem seine Frau durch seine Hand gestorben war, zimmerte er sich dieses verquaste, alttestamentarische Denkmodell zurecht, das auch in dem Chatprotokoll mit Samuel Abou anklingt. Die Frau als Verführerin, der Mann als Opfer, und er ist das Werkzeug der Rache Gottes. Und von da an ging er auch auf die Online-Jagd nach untreuen Frauen. Was ist eigentlich mit dem Auto von Marie-Ange Manet?“
„Frau Doktor, das ist drei Jahre her. Als der Fall als klarer Unfall eingestuft wurde und zu den Akten kam, wanderte das Ding in die nächste Schrottpresse, weil es als Beweismittel nicht mehr gebraucht wurde.“
Die Wölfin blieb stehen und musterte den Aufschrieb lange, ohne ein Wort zu sagen.
„Dann bleibt uns nur eine Methode, unsere Theorie zu erhärten. Rufen Sie den Chef an, er soll veranlassen, dass die Leiche von Marie-Ange Manet exhumiert wird. Dieses Heile-Welt-Spielen unter Zwang hat zweifellos physische Spuren an ihrem Körper hinterlassen, die ein fähiger Gerichtsmediziner wie Dr. Zach mit Sicherheit auch im jetzigen Zustand der Leiche wird feststellen können.“
Mafro nickte und griff zum Hörer. Während er die Kurzwahltaste drückte, fragte er:
„Und dann?“
„Dann machen wir uns an die Beantwortung der Frage aller Fragen.“
„Die wäre?“
„Nun“, sagte die Wölfin mit einem grimmigen Lächeln, „Sie sagten, Marie-Ange Manet sei auf dem Heimweg nach Paris mit dem Wagen durch ein provisorisches Brückengeländer gekracht, in die Seine gestürzt und im Wagen ertrunken. Die große Frage ist: Wo kam sie her? Wenn wir das wissen, wissen wir möglicherweise auch, wo Manet jetzt ist – und dann statten wir ihm einen kleinen Höflichkeitsbesuch ab.“
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Atemlos
11.3.2011, 15:11
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