Der Fälscher aus dem Jenseits
weit, bei Antiquitätenhändlern altes flämisches Küchengerät zu kaufen, das er auf seinen Bildern darstellen wollte. Nachdem er von einem miesen Gemälde aus der Zeit des Malers die Farbschicht abgekratzt hatte, begann er mit der Arbeit. Er beschloss, für Vermeer, der in seinem ganzen Leben nur ein einziges Heiligenbild gemalt hatte, ein religiöses Werk zu schaffen und wählte als Thema Die Begegnung in Emmaus.
Sechs Monate harter Arbeit waren nötig, um die Fälschung zu malen. Danach kam das in technischer, wenn nicht gar in künstlerischer Hinsicht Schwierigste an der Sache: das Bild altern zu lassen. Er rollte die Leinwand um ein großes Metallrohr und schob sie in einen auf 110 Grad erhitzten Ofen, um den Trocknungsprozess der Farbe nach drei Jahrhunderten zu imitieren. Dann spannte er sie wieder auf den ursprünglichen Rahmen und alles war perfekt! Er konnte die Probe aufs Exempel machen.
Im Frühjahr 1937 fuhr er nach Monte-Carlo und gab bekannt, dass er im Besitz eines Vermeers sei, den er verkaufen wolle. Der größte Spezialist des Malers, der holländische Kunsthistoriker Abraham Bredius, kam eigens angereist, um ein Gutachten zu erstellen. Bredius konnte seine Verblüffung nicht verhehlen. Die Maße des Werkes (1,20 x 1,17 m) waren ungewöhnlich. Vermeer hatte sonst viel kleinere Bilder gemalt. Und das Thema war noch erstaunlicher. Bisher hatte niemand geahnt, dass Vermeer auch ein großer religiöser Maler war! Trotzdem zögerte Abraham Bredius keine Sekunde und erklärte das Bild für echt.
Immerhin hatte er noch eine Frage an van Meegeren: »Wie sind Sie in den Besitz eines solchen Meisterwerkes gekommen?«
»Ich handele im Auftrag einer Familie aus italienischem Adel, die in Geldschwierigkeiten steckt.«
»Wollen Sie mir nicht sagen, welche?«
»Nein. Sie will anonym bleiben, damit niemand erfährt, in welcher Lage sie sich befindet.«
Das war eine plausible Erklärung. Bald lief die Neuigkeit um die ganze Welt: Vermeer hat ein großes religiöses Gemälde geschaffen, die Begegnung in Emmaus. Alle Museen wetteiferten darum, es zu kaufen, vor allem die niederländischen, weil sie diesen angeblichen Teil ihres nationalen Kunsterbes zurückbekommen wollten. Schließlich erwarb es das Boymans-Museum in Rotterdam. Die Rembrandt-Vereeniging steuerte das Geld bei. das zu der gewaltigen Kaufsumme – 520 000 Gulden — noch fehlte.
Von einem Tag auf den anderen war Henri van Meegeren steinreich. Nur sollte das Geld eigentlich der ruinierten italienischen Familie zukommen. Um sein plötzliches Vermögen zu rechtfertigen, behauptete er, den Hauptgewinn der französischen Nationallotterie gewonnen zu haben. Das war die Wende. Ursprünglich wollte er nur sich selbst beweisen, dass er so gut malen konnte wie Vermeer, und gleichzeitig auch alle Kunstexperten und Kritiker lächerlich machen. Doch war alles so einfach gewesen, und nun lockte das große Geld. Also machte er weiter.
1939 zog er nach Holland zurück und kaufte ein luxuriöses Haus in der Innenstadt von Amsterdam. In den folgenden Jahren, von 1939 bis 1943, tauchten vier weitere religiöse Vermeer-Bilder auf und wurden jedes Mal für mehrere Hunderttausend Gulden gekauft. 1943 erwarb das Rijksmuseum in Amsterdam für 1 250 000 Gulden eine Fußwaschung von Vermeer.
Weitere Gemälde von Vermeer tauchten auf, ausschließlich religiöse, sodass langsam Zweifel aufkamen. Man hatte immer geglaubt, dass der jung verstorbene Künstler sehr wenig gemalt hatte. Und noch merkwürdiger war, dass alle Bilder immer von derselben Person angeboten wurden, nämlich von Henri van Meegeren im Auftrag einer geheimnisvollen italienischen Familie. Was war das für eine fantastische Kunstsammlung, von der niemand etwas wusste?
Doch der Krieg verhinderte, dass diese Fragen weiter vertieft wurden. Im besetzten Holland hetzte die Gestapo alle Juden und Widerstandskämpfer. Wie in Frankreich kam es zu Anschlägen und blutigen Vergeltungsmaßnahmen. Erst nach der Befreiung wurde die van Meegeren-Affäre durch das an Göring verkaufte Bild aufgedeckt.
So sahen die Fakten aus, die die Polizei nach seiner Verhaftung im Mai 1945 ermitteln konnte. Die anschließende Untersuchung bestätigte alle Behauptungen des Fälschers. In Roquebrune entdeckte man die alten flämischen Utensilien, Töpfe und Zinnteller, die auch auf den Gemälden auftauchten. Diese wurden unter der Leitung von Professor Coremans, dem Direktor des Zentrallabors der belgischen Museen,
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