Der Fälscher aus dem Jenseits
da«, fuhr der Amerikaner fort, »was kostet das?«
Müller begriff nicht ganz, welcher Gegenstand das Interesse des Touristen erweckt hatte.
»Was meinen Sie?«
»Dieser Gegenstand da, der mit den Frauen!«
»Das?«
Müller glaubte zu träumen. Der Tourist interessierte sich für den Wallace-Brunnen, vor dem er seinen Stand aufgebaut hatte. Nebenbei bemerkt, die Stadt Paris vernachlässigte seit einigen Jahren diese Spuren der öffentlichen Wohltätigkeit. Dieser Brunnen, den der britische Menschenfreund Sir Richard Wallace gestiftet hatte, wurde 1872 mit etwa hundert weiteren Brunnen errichtet, um den Armen von Paris kostenlos sauberes Wasser anbieten zu können. Inzwischen waren aber die meisten dieser Brunnen stillgelegt, auch der hinter Müllers Stand. Er war mit Tragsäulen und jungen griechischen Frauen in antikem Gewand verziert, die von dem Bildhauer Lebourg geschaffen worden waren.
»Der Wallace-Brunnen?«, fragte Müller fassungslos. »Was haben Sie gesagt?«, rief der Tourist. »Wallace? Aber ich heiße auch Wallace und möchte diesen Brunnen unbedingt nach Amerika mitnehmen, um ihn in meinem Garten mitten auf dem Rasen aufzustellen.« Der Tourist, der Feuer und Flamme war, tat genau das Gegenteil von dem, was man tun sollte, wenn man sich auf einem Trödelmarkt befindet. Statt gelassen zu bleiben, den Blasierten zu spielen, kleine Mängel des begehrten Objekts hervorzuheben und vorzugeben, dass man ihm bereits den gleichen Brunnen in einem besseren Zustand angeboten hätte, zückte er bereits sein Portemonnaie und entnahm ihm ein Bündel guter, schöner Banknoten.
»Wie viel kostet der Brunnen?«, fragte der Amerikaner ungeduldig.
Müller warf einen vorsichtigen Blick auf die benachbarten Stände, denn er legte keinen Wert darauf, dass die Kollegen hörten, was er sagte. Allerdings war weit und breit niemand zu sehen.
»Zweihunderttausend Franc«, flüsterte er (das entsprach etwa vierunddreißigtausend Euro) und wurde rot.
Der Amerikaner rechnete.
»Aber«, beeilte sich Müller hinzuzufügen, »Sie können ihn nicht gleich mitnehmen, er ist zu schwer und ich bin für einen Transport nicht entsprechend eingerichtet.«
»Das ist kein Problem«, erwiderte der Tourist, »sind Sie morgen Früh auch hier?«
»Ja«, erwiderte Müller leise. »Zahlen Sie mir die Hälfte jetzt und kommen Sie morgen bei Marktöffnung; ich kümmere mich um den Transport. Wohin soll der Brunnen geliefert werden?«
Der Tourist zählte die Scheine ab.
»Geben Sie mir bitte eine Quittung?«
»Aber natürlich, gern.«
Muller steckte die hunderttausend Franc in seine Tasche, riss ein Blatt Papier aus einem vergriffenen Heft heraus und schrieb mit einem Bleistiftstummel in krakeliger Schrift: »Ich, der Unterzeichnende Philibert Tartempion, Antiquitätenhändler mit einem Stand gegenüber der Nr. 90, Boulevard Richard-Lenoir in Paris, habe von dem Touristen M. Wallace eine Anzahlung von hunderttausend Franc von einem Gesamtkaufpreis von zweihunderttausend Franc für den Wallace-Brunnen erhalten, der noch zu liefern ist. Paris, den...« Und er unterschrieb schwungvoll: Philibert Tartempion.
»Dann bis morgen.«
Der Tourist entfernte sich, winkte Muller freundlich zu und rieb sich insgeheim die Hände.
Als er in der Ferne verschwunden war, baute Muller alias Tartempion seinen Stand ab und verstaute seinen ganzen Bestand an Akkordeons und alten Kasserollen in seinem klapprigen Vehikel. Seine Standnachbarn wunderten sich etwas.
»Baust du bereits ab?«
»Ja, ich habe die Nase voll, dieses Jahr läuft nichts. Ich fahr weiter und sehe mich nach Trödelwaren um.« Nach diesen Worten fuhr er los.
Am nächsten Morgen war der arme Wallace bass erstaunt, als er weder Tartempion noch seinen Stand entdeckte. Doch zum Glück war »sein« Brunnen noch da. Er erkundigte sich an den anderen Ständen. Bei dem ganzen Durcheinander konnte ihm niemand sagen, wer genau der Inhaber des Stands gewesen war, nur dass er ein Trödelhändler mit unbekannter Herkunft war, der lediglich jeden Tag sein Standgeld entrichtet hatte. Wallace hatte Schwierigkeiten zu erklären, was er wollte. Er versuchte sogar, ein paar starke Männer zu engagieren, um seinen Brunnen abzutransportieren, doch rief dies die Polizei auf den Plan. Vergeblich legte er seine Quittung vor, die von Tartempion ausgestellt worden war, und erklärte, dass er im guten Glauben gehandelt habe. Der einzige »Nutzen«, den er aus der ganzen Angelegenheit zog, war der, dass er als
Weitere Kostenlose Bücher