Der Fälscher aus dem Jenseits
Darum besprach sie sich mit ihrem Mann und ihrem Geliebten. Alle drei waren einer Meinung. Der Schwindel konnte nur weitergehen, wenn sie einen Schritt weiter gingen. Man musste ein Treffen zwischen der Königin und dem Kardinal organisieren, eine geheime Begegnung!
Dazu brauchten sie eine Doppelgängerin von Marie Antoinette. Die entdeckte der Graf im Palais-Royal. Es handelte sich um Mademoiselle Oliva, ein Mädchen mit lockerem Lebenswandel. Monsieur de La Motte konnte sie leicht erobern und führte sie zu seiner Frau. Diese gab sich als Busenfreundin der Königin aus und kam gleich zur Sache: »Meine Liebe, würden Sie mir für 15000 Livres einen kleinen Gefallen erweisen?« Die junge Demoiselle konnte nur stottern: »Was muss ich dafür tun?«
»Nach Versailles fahren, nachts eine große Persönlichkeit treffen und ihr eine Rose mit einem Brief überreichen.«
»Und das ist alles?«
»Sagen Sie ihm außerdem: >Sie wissen, was das bedeutet.<«
So erstaunlich das erscheinen mag, während der Monarchie hatte man im Gegensatz zu heute praktisch freien Zugang zu den Gärten von Versailles. In der vereinbarten Nacht, am 11. August 1784, wurde Mademoiselle Oliva kurz vor Mitternacht an Ort und Stelle geführt. Sie trug ein weiß getüpfeltes Linonkleid, genau dasselbe, das Marie Antoinette auf dem letzten Gemälde von Madame Vigee-Lebrun trug. Jeanne de La Motte-Valois setzte sie unter eine Hagenbuchenlaube im »Hain der Venus«, holte den Kardinal und verschwand. Mademoiselle Oliva sah, wie der große Kirchenfürst vor ihr auf die Knie fiel und den Saum ihres Kleides küsste. Sie war so gerührt, dass sie ihm nur die Rose gab, den Brief vergaß und den vereinbarten Satz praktisch nur stotterte. In dem Moment kam der ehemalige Gendarme Rétaux de Vilette als Diener der Königin verkleidet und rief halblaut: »Dort kommen der Graf und die Gräfin d’Artois!«
Nun tauchte auch Madame de La Motte auf und packte Mademoiselle Oliva beim Arm.
»Schnell, schnell! Kommen Sie!«
Kardinal Rohan blieb allein zurück. Er war geblendet, entrückt. Und er war so aufgewühlt, dass er überzeugt war, aus dem Gestammel von Mademoiselle Oliva herausgehört zu haben, wie die Königin sagte: »Sie können darauf hoffen, dass die Vergangenheit vergessen wird.«
Von dem Moment an ging der Briefwechsel weiter, doch der Tonfall war nicht mehr ganz derselbe. Die Königin war anspruchsvoller geworden und verlangte sehr viel mehr Geld. Der Kardinal überließ sich hingegen ganz seiner überschäumenden Leidenschaft. Bald schrieb er ihr, wie Rétaux de Vilette sagte, »Briefe, die ein Mann, der etwas auf sich hält, nicht zu Ende lesen kann«.
Kommen wir nun zu den letzten Tagen des Jahres 1784, in denen der zweite Akt stattfand, Jeanne de La Motte-Valois hörte zum ersten Mal etwas von dem Halsband.
Es hatte bereits eine lange Geschichte hinter sich. Geschaffen hatten es Hofjuwelier Böhmer und sein Teilhaber Bassenge. Eigentlich handelte es sich nicht um ein Halsband, sondern um ein riesiges Brillantkollier, »ein Brustschmuck für Zirkuspferde«, wie jemand schrieb. Es war alles andere als geschmackvoll, zugleich aber auch das fabelhafteste Schmuckstück, das man sich vor-
stellen konnte: Es bestand aus sechshundertsiebenundvierzig herrlichen Diamanten, die zusammen zweitausendachthundert Karat wogen.
Böhmer und Bassenge hatten es schon lange vergeblich zum Verkauf angeboten. Ludwig XV. hatte es nicht einmal für die Gräfin Dubarry kaufen wollen. Auch der spanische Hof hatte es abgelehnt. Zehn Jahre zuvor, im Jahre 1774, hatte Böhmer Marie Antoinette angefleht, es ihm abzunehmen. Doch die 1 600 000 Livres, die er dafür verlangt hatte, fand die Königin für dieses plumpe Schmuckstück zu teuer. Verzweifelt war Böhmer vor ihr auf die Knie gefallen und hatte gedroht, in die Seine zu springen. Sie hatte ihn jedoch nur trocken gebeten, »mit seinen verzweifelten Verrenkungen aufzuhören«.
Seitdem waren die beiden Juweliere auf ihrer märchenhaften Ware sitzen geblieben. Darum kann man sich ihre Freude vorstellen, als Madame de La Motte-Valois, die ihnen als Vertraute der Königin bekannt war, am 29. Dezember 1784 bei ihnen erschien, um sich das Halsband zeigen zu lassen.
Sie sagte nichts weiter dazu, suchte jedoch unmittelbar darauf Kardinal Rohan auf.
»Monseigneur, die Königin begehrt das Halsband von Böhmer, aber der König missbilligt diese Extravaganz.
Darum will sie es heimlich aus ihrer persönlichen Schatulle
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