Der Fälscher aus dem Jenseits
française. Doch trotz aller pompösen Auszeichnungen und seines geistlichen Standes war er nur ein belangloser Lebemann, ein großer Weiberheld. Dazu war er ausgesprochen naiv, was schon einem anderen Abenteurer aufgefallen war, nämlich Joseph Balsamo, genannt Cagliostro, dem es sogar gelungen war, sein Vertrauter zu werden.
Eine ganze Weile nutzten die La Motte-Valois, ähnlich wie andere Parasiten bei Hofe, die Freigebigkeit dieses Kirchenfürsten aus. Der »Graf« wurde zum Hauptmann der Dragoner von »Monsieur«, dem Bruder des Königs, ernannt, während die »Gräfin« in den Genuss der Freizügigkeit des Kardinals kam. Doch für sie war das längst nicht genug. Sie wollte mehr, sehr viel mehr. Ihr Selbstbewusstsein war unerschütterlich. Wie allen großen Betrügern hatte ihr der Himmel die Gabe großer Überzeugungskraft in die Wiege gelegt. Sie konnte die skurrilsten Dinge erzählen und man glaubte ihr. Weil sie dachte, es könne ihr einmal nützlich sein, brachte sie zum Beispiel das Gerücht in Umlauf, dass sie häufig mit der Königin verkehre. Das Ergebnis sollte sogar noch ihre kühnsten Hoffnungen übertreffen.
Zufällig war die Königin nämlich der schwache Punkt des Kardinals Rohan. Er war früher einmal Botschafter in Wien gewesen, hatte aber wegen seines lockeren
Lebenswandels leider der Kaiserin Maria Theresia, Marie Antoinettes Mutter, missfallen. Gemaßregelt und nach Versailles zurückgerufen, musste er feststellen, dass ihm die Königin, zweifellos von ihrer Mutter beeinflusst, nur die kalte Schulter zeigte. Der schwache Ludwig XVI. schloss sich der Haltung seiner Frau an, was den Kardinal fast zur Verzweiflung trieb.
Als er hörte, dass Jeanne de La Motte-Valois neuerdings mit der Herrscherin in vertraulichem Verhältnis stand, erkühnte er sich, sie zu fragen: »Glauben Sie, Sie könnten bei Ihrer Majestät ein Wort für mich einlegen?«
Die »Gräfin« versprach, ihr Möglichstes zu tun, und nach einer langen Wartezeit, die ihre Rechtfertigung darin fand, dass man eine solche Sache mit Fingerspitzengefühl angehen müsse, erklärte sie ihm eines Tages: »Ich wurde von der Königin ermächtigt, ein schriftliches Gnadengesuch von Ihnen zu erbitten.«
Verrückt vor Freude nahm der Kardinal seine schönste Feder, um ihr Verzeihen zu erflehen. Jeanne überbrachte den Brief und — o Wunder! — die Königin antwortete. Ihr Schreiben klang zwar kalt, sogar streng, aber das Eis war gebrochen und die Herrscherin untersagte Rohan nicht, weiter mit ihr zu korrespondieren.
So entwickelte sich ein Briefwechsel, der immer über die Gräfin de La Motte-Valois lief. In Wirklichkeit wurden Marie Antoinettes Briefe aber von Marc-Antoine Rétaux de Vilette geschrieben. Dieser ehemalige Gendarme war ein Kamerad des Grafen und mit dem Segen des Ehemannes auch Jeannes Liebhaber — er war nämlich sehr geschickt und konnte ihnen noch nützlich sein.
Das Ganze dauerte insgesamt drei Jahre! Nicht einen Moment lang zweifelte Kardinal Rohan daran, dass er mit der Königin korrespondierte. Er hatte ja so lange darauf gewartet und wollte so gerne daran glauben! Auf die Dauer und zu seinem Entzücken wurde der Tonfall seiner königlichen Briefpartnerin langsam milder, fast schon zärtlich. Von Zeit zu Zeit bat sie ihn zwar um ein paar Tausend Livres, um ihr aus einer unerwarteten Verlegenheit zu helfen. Aber war das nicht verständlich? Schließlich war bekannt, dass Ihre Hoheit verschwendungssüchtig war und ständig Geld brauchte. Es war sogar eine Ehre, dass sie sich an ihn wandte. Der Prälat beeilte sich jedes Mal, der unermüdlichen Überbringerin Jeanne de La Motte-Valois die verlangte Summe auszuhändigen, und küsste tausend Mal die von dem ehemaligen Gendarmen geschriebenen Briefe.
Dennoch kannte die menschliche Gutgläubigkeit Grenzen. Irgendwann fand es Kardinal Rohan seltsam, dass Marie Antoinette, die ihm schriftlich die lebhafteste Freundschaft bezeugte, ihn trotzdem jedes Mal, wenn sie ihn leibhaftig sah, mit tiefster Verachtung strafte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und fragte Jeanne: »Wie kommt es, dass Ihre Majestät mir so liebenswürdige Briefe schreibt, mich in der Öffentlichkeit aber so feindselig behandelt?«
Die falsche Gräfin war nie um ein Argument verlegen. »Sie will nur Ihre Versöhnung vor dem König und gewissen anderen Persönlichkeiten bei Hofe geheim halten, Monseigneur.«
Dennoch war sie schlau genug einzusehen, dass das alles nicht ewig dauern konnte.
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