Der Fälscher aus dem Jenseits
Verständnislosigkeit ein. Irritiert erklärte die Königin: »Der Mann ist eine reine Folter für mich. Er hat immer Flausen im Kopf. Ich will seine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen.«
Im Zimmer brannte ein Kerzenleuchter. Entschlossen hielt sie den Brief an die Flamme.
»Er ist es nicht wert, aufgehoben zu werden.«
Einen Moment später war Böhmers Schreiben nur noch ein Häuflein Asche. Ohne es zu ahnen, hatte Marie Antoinette etwas getan, was noch schwere Folgen haben sollte. Dieser Brief wäre nämlich ein Hinweis darauf gewesen, dass sie von nichts eine Ahnung hatte. Jetzt, wo er vernichtet war, konnte jeder behaupten, dass sie in alles eingeweiht, dass sie eine Komplizin war.
Zwei Wochen verstrichen. Am 1. August, als die erste Rate fällig war, erschien Kardinal Rohan bei Böhmer. Doch statt der erwarteten 400 000 Livres überreichte ihm der Geistliche nur einen von Marie Antoinette unterschriebenen Brief, in dem sie um einen Aufschub bat und vorschlug, am 1. Oktober 700 000 Livres zu begleichen. Darüber hinaus brachte er 35 000 Livres für die Zinsen.
Zu sagen, dass Böhmer wütend war, wäre eine Untertreibung gewesen. Für ihn bedeutete dieser Zahlungsaufschub den sicheren Ruin, weil er seine Lieferanten bereits bezahlt hatte. Doch vor allem erriet, durchschaute er alles! Die Königin, die das Halsband beim ersten Mal so harsch zurückgewiesen hatte, die es nie trug, seit es ihr angeblich gehörte, und die sein Schreiben nie beantwortet hatte, wusste von nichts! Er wurde leichenblass.
»Monseigneur, die Gräfin de La Motte-Valois hat Sie betrogen.«
Jetzt erbleichte auch der Kardinal. Doch er fing sich wieder.
»Wenn ich Ihnen nun sage, dass ich persönlich mit der Königin verhandelt habe, lassen Sie mich dann in Ruhe?«
»Ja, Monseigneur, aber...«
Zum Zeichen des Schwures hob der Kardinal die Hand.
»Ich habe persönlich mit ihr verhandelt. In meiner Anwesenheit hat sie das Geld aus dem kleinen Sekretär in ihrem Boudoir genommen.«
Danach ging er und ließ den Juwelier von Zweifeln hin und her gerissen zurück.
Der Kardinal hatte gelogen. Um Zeit zu gewinnen, hatte er einen Meineid geleistet, aber er hatte auch endlich begriffen, dass er einem Betrug zum Opfer gefallen war. Er rief seinen Freund Cagliostro zu sich, um ihn um Rat zu fragen. Der italienische Abenteurer, der sich für einen Alchimisten oder Magier ausgab und behauptete, bereits zur Zeit von Jesus Christus gelebt zu haben, erteilte ihm in diesem Fall einen gar nicht mal so schlechten Rat: »Monseigneur, da gibt es nur eines. Gehen Sie zum König, erzählen Sie ihm alles und flehen Sie ihn um Gnade an.«
Trotzdem zögerte Rohan. Er dachte daran, das Halsband selbst zu bezahlen. Aber die Summe war so gewaltig, dass das sogar für ihn schwierig gewesen wäre. Dazu hätte er den Großteil des Familienbesitzes verkaufen müssen. Dieses Zögern wurde ihm zum Verhängnis. Die Zeit drängte und der Skandal musste bald ans Licht kommen.
Böhmer war nämlich trotz allem nicht überzeugt. Nachdem der Kardinal gegangen war, stattete er Madame Campan einen Besuch ab.
»Darf ich wissen, Madame, wann die Königin mein Schreiben beantworten will?«
»Nie, Monsieur. Sie hat es verbrannt, ohne begriffen zu haben, was Sie damit meinten.«
»Aber das ist unmöglich, Madame! Die Königin weiß genau, dass sie mir Geld schuldet.«
»Was für Geld? Die Königin hat alle noch offenen Rechnungen bei Ihnen längst beglichen.«
»Nicht für mein Halsband! Die Königin schuldet mir 1 600 000 Franc für das Halsband.«
»Dieses Halsband, mit dem Sie ihr seit Jahren in den Ohren liegen und das sie nicht will?«
»Sie will es, Madame. Sie hat es durch Kardinal Rohan kaufen lassen.«
»Haben Sie den Verstand verloren? Die Königin hat seit seiner Rückkehr aus Wien kein einziges Wort an den Kardinal gerichtet. Am Hof gibt es keine andere Person, die bei ihr so tief in Ungnade gefallen ist.«
»Sie haben den Verstand verloren! Die Königin hat dem Kardinal 35 000 Livres gegeben, die er mir wegen der Verzögerung als Zinsen gezahlt hat. Sie hat das Geld in seiner Gegenwart aus dem kleinen Sekretär im Boudoir genommen.«
»Hat Ihnen das der Kardinal erzählt?«
»Natürlich, Madame, der Kardinal höchstpersönlich.« Madame Campan begriff nur eines: Die Angelegenheit war ernst. Sie erzählte alles Marie Antoinette, die den Juwelier kommen ließ. Dieser schilderte ihr eine bizarre Geschichte, derzufolge Kardinal Rohan, Großalmosenier
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