Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
niemals im Leben etwas so Schönes habe hören dürfen. Und wenn sie ihn einen Schmeichler nannte, protestierte er und beteuerte, dass er tot umfallen wolle, wenn er nicht die reine Wahrheit sage. Und dann glaubte sie ihm und war glücklich.
Im Spätsommer 1931 aber konnten die beiden nicht länger die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Laura schwanger war, und dann wurde alles schwieriger. Laura weinte, weil es mit der Gesangskarriere nun wohl endgültig vorbei war, und Emil nahm sie in den Arm und sagte, dass alles gut werde, weil er jetzt mit den Schlaumeiereien aufhöre und bei Lauras Eltern um ihre Hand anhalte.
Diese waren nicht sehr begeistert über den unverhofft aufgetauchten Brautwerber, denn sie witterten unter dem weißen Leinenanzug den Bauernjungen und bezweifelten, dass dieser die Kraft und die Wendigkeit haben würde, sich auf Dauer an der Seite ihrer eigensinnigen Tochter zu halten. Aber weil die Natur nun mal unbestreitbare Fakten geschaffen hatte, die aus der Welt zu schaffen sie als zartfühlende Menschen Laura nicht vorschlagen konnten, gaben sie dem Paar ihren Segen.
Die Trauung fand am 18. August 1931 in der kleinen Kirche von Sainte Marie-de-la-Charité statt, danach fuhr die Hochzeitsgesellschaft in zwei geliehenen Autos zu einem Landgasthof vor der Stadt. Die Gesellschaft war klein, nebst dem Brautpaar waren nur Lauras Eltern und ihre vier Geschwister anwesend. Trotzdem gelang es ihnen, nach dem Essen ein komplettes Variété-Programm zusammenzustellen. Laura sang eine ägyptische Ballade und Emil führte seine Paradenummer vor, die darin bestand, dass er mit fünf Weingläsern gleichzeitig in der Luft jonglierte. Lauras Brüder zeigten Kartentricks, ließen Münzen verschwinden und zogen sie aus dem Gehörgang der Braut wieder hervor. Alle machten Witze darüber, dass Laura mit der Trauung Schweizer Bürgerin geworden war. Zum Schluss sangen Mutter und Tochter im Duett, was noch nie zuvor geschehen war, und der Vater begleitete sie auf dem Kneipenklavier, das schaurig verstimmt war und eine lückenhafte Tastatur hatte.
Nachdem alle ihre Tränen weggewischt hatten, bestellte man Kaffee und Schnaps. Und als alle betrunken waren, fuhr man zurück in die Stadt.
*
An einem trüben Herbsttag Anfang Oktober stieg Felix Bloch unter der mächtigen Kuppel des Leipziger Hauptbahnhofs aus dem Zug, holte sein Fahrrad aus dem Postwagen und fuhr zum Institut für theoretische Physik, das am Stadtrand zwischen einem Friedhof und einer psychiatrischen Klinik stand. Den Koffer stellte er in einer Assistentenbude unter dem Dach ab, dann machte er seinen Antrittsbesuch bei Heisenberg.
Am neuen Ort fühlte er sich auf Anhieb zu Hause. Seine elektrischen Apparaturen baute er in einem fensterlosen Kellerraum auf, der Spektrograph blieb fürs erste im Karton. Morgens amtete er als Vorlesungsassistent für Heisenberg und hielt Übungen für die Erstsemestrigen ab, nachmittags korrigierte er die Arbeiten der Studenten und ging seinen Experimenten nach.
Die Belegschaft des neu gegründeten Instituts war klein, und die Studenten kannte Felix nach einer Woche alle mit Namen. Noch hatte es sich nicht herumgesprochen, dass hier der jugendliche Werner Heisenberg unterrichtete, der mit seiner Unschärferelation die physikalische Weltordnung erschüttert hatte und sein Institut wie eine Gruppe Wandervögel führte. Die Vorlesungssäle waren viel zu groß. Die Studenten saßen im Kreis auf den Tischen, kochten Tee auf Bunsenbrennern und aßen Kuchen, den Professor Heisenberg aus der Bäckerei um die Ecke mitbrachte.
Es war ein übermütiger Haufen junger Leute, der da zusammengefunden hatte. Im Keller des Instituts hatte Heisenberg einen Pingpongraum einrichten lassen, zu dem alle freien Zugang hatten. Felix Bloch verwaltete das Material. Ein ungarischer Student namens Edward Teller, der in München unter die Straßenbahn geraten und einen Fuß verloren hatte, machte immer Tee für alle. Professor Heisenberg war der unangefochtene Pingpongmeister und galt spätestens nach seiner Vortragsreise durch Ostasien als unschlagbar. Einzig ein Japaner namens Yoshio Nishina besiegte ihn regelmäßig, was Heisenberg schlecht ertrug. Es soll vorgekommen sein, dass er nach einer Niederlage drei Tage von der Bildfläche verschwand.
An den Wochenenden erkundeten Studenten und Dozenten gemeinsam die Stadt, die über die Jahrhunderte reich geworden war mit ihren Kammgarnspinnereien und Wollkämmereien, den Buchdruckereien
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