Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
schlechtesten liefen die Geschäfte, wenn in den Kasernen Frischlinge saßen, denen das Dienstreglement noch heiliges Gesetz war.
Rückschläge erlitt Emil Fraunholz auch, wenn einer seiner Mittelsmänner aufflog, was alle paar Monate vorkam. Dann musste er sich auf Besuch von Militärpolizisten einstellen, die steife weiße Hüte trugen, unangenehme Fragen stellten und ziemlich ruppig werden konnten, wenn man sie anschwindelte. In solchen Fällen hielt Emil es für ratsam, die Geschäfte eine Weile ruhen zu lassen und eine inexistente Tante in Nizza oder Cannes zu besuchen.
Im Mai 1931 aber, als er erstmals Laura d’Orianos Musikalienhandlung betrat, liefen die Geschäfte gut. Und weil er an jenem Nachmittag die Taschen voller Geld hatte und dieses Mädchen hinter dem Tresen ihn bezaubert hatte wie noch keines zuvor, raffte er allen Mut zusammen, legte seine Haudegenmaske ab und fragte sie ganz schüchtern, ob sie bereit wäre, ihn am folgenden Sonntag zu Kaffee und Kuchen auf die Sonnenterrasse des »Hotel Excelsior« zu begleiten.
Von da an verbrachten Laura und Emil alle ihre Sonntage und manchmal auch die Werktage gemeinsam. Einem Mann wie Emil Fraunholz war Laura noch nie begegnet. Sein falsches Haudegentum war in dem Augenblick, da er sie ums erste Rendezvous bat, ganz von ihm abgefallen, und zum Vorschein gekommen war ein freundlicher und zurückhaltender, aber wacher und pfiffiger junger Mann, der ihr aufmerksam zuhörte und sie gern zum Lachen brachte; besonders berührte sie seine unangestrengte Sanftmut, welche er wohl mitgebracht hatte aus seiner friedfertigen Heimat, die seit vielen Generationen von Verheerungen und Katastrophen verschont geblieben war.
Emil quatschte nicht vom Krieg und knirschte nicht mit den Zähnen, auch schützte er keine Selbstmordversuche vor und schlitzte nicht kleinen Hunden die Kehle auf, und er legte nicht ohne Not die Stirn in Denkerfalten, sondern erzählte mit seiner mädchenhaft hellen Stimme freimütig, was für schöne Augen die Kühe in Bottighofen hätten und wie süß der frische Apfelsaft schmecke, wenn man ihn aus dem Fallobst presste, das man auf fremden Weiden gratis aus dem nassen Gras aufheben konnte.
Emil erzählte ihr aber auch, dass er auf dem elterlichen Bauernhof einen schönen Ausblick auf den Bodensee gehabt habe, auf dem majestätisch die Jachten reicher Leute kreuzten, und dass er sich schon in früher Kindheit geschworen habe, irgendwann die Plackerei und den Kuhmist hinter sich zu lassen, um an Bord weißer Jachten in Gesellschaft schöner Frauen Champagner zu trinken. Und wenn Laura ihn lächelnd fragte, ob er sein Ziel in der Zwischenzeit erreicht habe, brachte er zum nächsten Rendezvous eine Flasche Veuve Clicquot mit und führte sie am Port des Belges zu einem weißen Segelboot, das wohl einem Freund oder Geschäftspartner gehörte, der ihm einen Gefallen schuldete.
Und wenn Laura während der Bootsfahrt eine Hand ins Wasser baumeln ließ und die hügelige Schönheit der provenzalischen Küste bewunderte, fuhr er beim nächsten Treffen mit einem Bentley oder Peugeot vor und lud sie zu einer Spritzfahrt ein. Und wenn sie einstieg, fuhr er mit ihr in die Hügel hinauf, und wenn sie Hunger bekam, breitete er an einem hübschen Plätzchen eine Wolldecke aus und holte Leckereien aus dem Korb, von denen er hoffte, dass sie Laura schmecken würden. Und wenn ihr die Zigaretten ausgingen, lag im Handschuhfach eine Packung ihrer Marke für sie bereit, und wenn die Dämmerung hereinbrach, fuhr er sie wieder nach Hause, ohne ihr während des ganzen langen Tages ein einziges Mal ans Knie gegriffen zu haben.
Es war alles schön zwischen Emil und Laura, weil alles einfach, ohne Arg und ohne Absicht geschah. Wenn sie Champagner tranken, tranken sie Champagner, und wenn sie am Strand im Sand lagen, lagen sie im Sand. Er erzählte von seinen Geschäften und Schlaumeiereien und freute sich, wenn Laura über sie lachte, und sie erzählte ihm von ihrem weiten Gefühl in der Brust und vom Summen aus dem Weltraum, obwohl ihr diese Dinge jetzt gar nicht wichtig waren. Und wenn er aufmerksam zuhörte und nichts dazu sagte, freute sie sich.
Und als sie miteinander schliefen, schliefen sie miteinander.
Wenn Laura einen Auftritt in einem Nachtcafé hatte, hielt sie diesen schamhaft vor ihm geheim, und wenn er trotzdem davon Wind bekam, saß er ihr den ganzen Abend mit weit aufgerissenen Augen zu Füßen, küsste ihr hinterher die Hände und schwor, dass er noch
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