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Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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den negativ geladenen Elektronen auch Neutronen, also Elementarteilchen ohne Ladung gibt. Das eröffnete die Perspektive, dass Atomkerne gar kein unteilbares Ganzes seien, wie man bisher angenommen hatte, sondern aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein könnten und sich aufspalten ließen.
    Da in jenen Tagen zudem Go eth es hundertster Todestag bevorstand, hatte auf dem Weg nach Kopenhagen wohl dieser oder jener Reisende seinen »Faust« im Gepäck; und so kamen Heisenberg, Bloch, Teller, von Weizsäcker und Delbrück unterwegs auf die Idee, die Konferenz mit einer quantenphysikalischen Parodie des »Faust« zu bereichern.
    Die Idee wurde sofort in die Tat umgesetzt. Im Zentrum des Stücks stand des Pudels Kern sowie die Frage, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält. Es gelangte am Ostersonntag 1932 unter Mitwirkung zahlreicher Tagungsteilnehmer im großen Hörsaal des Instituts zur Aufführung.
    Die Rolle des Faust spielte der Leidener Professor Paul Ehrenfest, jene des Mephistopheles der Belgier Léon Rosenfeld. Felix Bloch spielte den Herrgott persönlich; er thronte auf einem hohen Schemel über dem Experimentiertisch und trug einen Zylinder sowie eine selbstgefertigte Maske, die unverkennbar Niels Bohrs Gesichtszüge trug. Der chorus mysticus wurde von Heisenberg, Oppenheimer und vier weiteren Freiwilligen gebildet.
    Das Gelächter war groß, als Faust die Bühne betrat und deklamierte:

Habe nun, ach, Valenzchemie,
Elektrodynamik und Gruppenpest,
Und leider auch Transformationstheorie
Durchaus studiert mit heißem Bemühn;
Da steh’ ich nun, ich armer Wicht:
Nichts Gewisses weiß ich nicht!
Heiße Magister, heiße Professor gar,
Und ziehe schon an die dreißig Jahr,
Herauf, herab, und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase rum.
Zwar bin ich gescheiter als die Laffen,
Doktoren, Bonzen und anderen Affen,
Mich plagen alle Skrupel und Zweifel,
Fürcht’ mich vor Pauli wie vorm Teufel.
(…)

    Ein bewegender Augenblick war der Auftritt der dänischen Studentin Ellen Tvede, die das Gretchen gab. Sie war mit einem großen Plusminus-Zeichen im Gesicht als Neutron verkleidet und sang zu Schuberts Melodie »Gretchen am Spinnrad«:

Meine Ladung ist hin,
Statistik ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Wo du mich nicht hast,
keine Formel passt.
Die ganze Welt
Ist dir vergällt.
Nur mit mir allein
Kann der Betastrahl sein.
Auch der Stickstoffkern
Steht mir nicht ganz fern.
Meine Ladung ist hin,
Statistik ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Mein Dipol drängt
Sich nach ihm hin.
Ach dürft’ ich fassen
Und halten ihn.
Es pocht mein Herz,
Es zittert mein Spin.
Ich liebe dich,
O nimm mich hin.
Meine Ladung ist hin,
Statistik ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.

Sechstes Kapitel

    Nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen machte Felix Bloch erste Notizen zu einer Arbeit über das Bremsvermögen von Atomen mit mehreren Elektronen. Zur gleichen Zeit unternahm in Marseille Laura d’Oriano erste Versuche, sich an ihre neue Rolle als Ehefrau und werdende Mutter zu gewöhnen. Rein technisch gesehen wäre es wohl möglich gewesen, dass Emil Fraunholz bei den d’Orianos über der Musikalienhandlung eingezogen wäre, auch wäre es angesichts von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit vernünftig erschienen, die Lebenshaltungskosten für das junge Paar gering zu halten und die Einkünfte zusammenzulegen. Da sie aber alle kluge Menschen waren und wussten, dass daraus auf Dauer nichts Gutes entstehen konnte, machte sich Emil an die Verwirklichung eines Plans, den er sich schon vor einer Weile für den Notfall bereitgelegt hatte. Es hatte ihm nämlich einst ein Legionär, der in seinem früheren Leben Apotheker in Grasse gewesen war und seine alte Existenz aus unbekannten Gründen überstürzt hatte ablegen müssen, die Übernahme seines Geschäfts samt Wohnung zu einem Spottpreis angeboten.
    Während Emil Pläne schmiedete, wandte Laura vorsichtig ein, dass erstens Grasse ein Provinznest am Arsch der Welt sei und zweitens Emil selber, wenn sie richtig unterrichtet sei, nicht den Hauch einer Ahnung vom Apothekenwesen habe. Dagegen führte Emil ins Feld, dass erstens die Luft der Alpes Maritimes für das Baby unvergleichlich besser wäre als jene am Hafen von Marseille, und dass zweitens Grasse als Welthauptstadt der Parfümherstellung eine beliebte Destination reicher amerikanischer Touristen sei. Was schließlich drittens den Apothekerberuf betreffe, so sei dieser nun wirklich keine

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