Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
und die Sommerhüte tief in die Stirn gezogen. Trotzdem spürt der Oberinspektor, wie sein Kopf langsam feucht wird und wie die Nässe an den Schultern durch den dünnen Mantel kriecht.
    »Niemand interessiert sich für das Rathaus«, antwortet er. »Auch wenn Cuddel Breuer uns nicht gesagt hat, um was es geht – wir sichern die Landeszentralbank, nicht das Refugium des Bürgermeisters.«
    »Der Tag X naht.«
    »Ich möchte nur wissen, wie.«
    Sie stehen an einer gusseisernen Wasserpumpe, vielleicht hundert Meter vom Bankgebäude entfernt. Der Wind peitscht Regen über den Platz. Auch aus der Alster und den nahen Fleeten steigt Feuchtigkeit auf und ein Gestank nach Schlamm und Fäulnis. Eine Straßenbahn rumpelt heran, hält mit kreischenden Rädern mitten auf dem Platz. Ihre blassgelbe und rote Lackierung leuchtet in der Nässe, die Fenster sind milchig beschlagen. Ein paar Dutzend Frauen und Männer springen aus den Türen, hasten, Hände auf Hüten und Kopftüchern, manche mit Regenschirmen in der Faust, über die freie Fläche in die Sicherheit eines Gebäudes. Wie früher bei Fliegeralarm, denkt Stave unwillkürlich. Kaum jemand achtet auf die Polizisten und Zivilisten, die, jeweils wenige Meter voneinander entfernt, eine weite Kette um den Platz bilden.
    »Hoffentlich passiert bald was«, brummt Bahr, »ich werde langsam zu alt, um stundenlang in feuchten Schuhen irgendwo herumzustehen.«
    »Wir bekommen Besuch«, erwidert Stave und tastet nach der Pistole im Holster.
    Zwei englische Jeeps rasen heran und halten mit kreischenden Reifen links und rechts vom Gebäude der Landeszentralbank. Britische Militärpolizisten mit Maschinenpistolen springen heraus und postieren sich neben den Eingang. Cuddel Breuer geht auf sie zu, redet kurz mit einem Captain, kehrt zurück. Seine Anweisungen rufen sich die Polizisten die Länge der Kette nach zu: »Alle Straßen sind gesperrt. Die Straßenbahn ist gestoppt. Lasst niemanden mehr auf den Platz. Es wird nur ein paar Minuten dauern.«
    Acht schwere Armeelastwagen rollen vor, bleiben mit laufenden Motoren stehen. Ihre Fracht ist unter den Planen der Ladeflächen nicht auszumachen. Noch mehr Militärpolizisten. Stave erkennt links von sich, wie zwei Schupos einige Frauen daran hindern, über den Platz zu gehen. In seiner Nähe ist niemand.
    Aus dem Innern des Gebäudes kommen Bankmitarbeiter heraus. Der Oberinspektor erkennt Flasch, trotz der dunkelblauen Regenpelerine, die der sich übergeworfen hat. Die Beamten treten zum ersten Lastwagen, dessen Heckklappe fällt. Dann schleppen sie hölzerne Kisten von der Ladefläche bis zum Eingang, durch ein Spalier von Militärpolizisten, die nun ihre Maschinenpistolen im Anschlag haben.
    Stave tritt näher hinzu. Die Kisten sind lang und schmal, aus groben Brettern. Auf den Seiten steht CLAY-W-OCF-OFD-279.
    »Sieht wie eine Codenummer aus«, bemerkt Bahr. »Clay heißt Ton. Ob unsere Herren Bankiers mit Töpferkursen beginnen?« Er lacht.
    Stave beobachtet die schmächtige Gestalt von Flasch, der mit einem anderen Beamten zusammen eine Kiste trägt, scheinbar mühelos. »So schwer scheint die Fracht nicht zu sein«, murmelt er.
    »Also keine Münzen«, kommentiert der Leiter vom Chefamt S und klingt leicht enttäuscht. »Papiergeld, kistenweise. Acht Lastwagen für ganz Hamburg. Wie viel das wohl ist?«
    »Hoffentlich nicht genug, um ein paar von unseren Klienten anzulocken.« Der Oberinspektor sieht sich nervös um.
    Tatsächlich dauert es viel länger als die angekündigten wenigen Minuten, bis alle Lastwagen entladen worden sind. Zuletzt packen einige Militärpolizisten mit an, des Wartens offenbar überdrüssig. Erst am späten Vormittag schnaufen die Lastwagen davon. Stave ist inzwischen dankbar, dass es so stark regnet. An einem normalen, warmen Sommertag hätten sich längst Hunderte Neugierige eingefunden, aber das schlechte Wetter verscheucht die Gaffer besser, als es die Beamten gekonnt hätten.
    Breuer lässt einige der jüngeren Kollegen zurück, dazu zwanzig Schupos. Auch einige Engländer bleiben neben der Landeszentralbank postiert. Alle anderen dürfen endlich abziehen. Bald kreischt die erste Straßenbahn in die Haltestelle. Schirm- und mützenbewehrte Gestalten hasten wieder über den freien Platz. Es ist, als wäre nichts geschehen.
    Nachmittags tritt MacDonald in Staves Büro. Der Oberinspektor schüttelt ihm die Hand, überrascht, erfreut – und ein wenig zögerlich. »Früher konnte ich mir immer einreden,

Weitere Kostenlose Bücher