Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Währung misstrauen. Und wenn sie ihr erst einmal misstrauen, dann wird die neue Währung auch ein Fehlschlag. Ohne Vertrauen keine stabile Währung.«
»Klingt so, als würden Sie den Fälscher lieber heute als morgen im Gefängnis sehen.«
»Fassen Sie ihn, bevor uns der Kerl alles ruiniert.«
»Ich möchte mit Ihrem Informanten reden.«
MacDonald lächelt dünn. »Er wartet schon nebenan.«
Ein junger Mann, Anfang zwanzig, das weißblonde Haar millimeterkurz über der schrundigen Kopfhaut, eine Hornbrille, die zu wuchtig wirkt für die hageren Züge. Der Mann steht nicht auf, als Stave eintritt, und der Oberinspektor glaubt einen Moment, dass er aus Unhöflichkeit sitzen bleibt. Dann sieht er das direkt unter der Hüfte eingerollte und zugenähte Hosenbein und die Krücken, die neben dem Stuhl auf dem Boden liegen.
»Sie sind also der Geldbote«, begrüßt er ihn und setzt sich ihm gegenüber. MacDonald holt einen weiteren Stuhl aus dem Nebenraum, schließt die Tür, reicht dem Mann eine Zigarette.
»Heinz Suchardt«, stellt der sich vor und zündet sich die John Players an. Seine Hände zittern.
»Einer unserer zuverlässigsten Freunde«, ergänzt der Lieutenant beruhigend.
»Dann erzählen Sie mal«, fordert ihn Stave auf.
»Diese Scheine gingen heute gegen Mittag auf dem Goldbekplatz rum«, berichtet Suchardt. Mit jedem Wort wirkt er weniger nervös. Routinierter Spitzel, denkt Stave. »Sie können sich ja denken, dass die Schieber mächtig aufgeregt sind. Seit dem Morgen reden alle Leute nur noch über die Lastwagen neben dem Rathaus. Keiner weiß, wann es losgeht. Keiner weiß, was dann geschehen wird. Ändert sich nichts? Oder bricht der Schwarzmarkt zusammen? Oder blüht er noch mehr auf? Sie fragen drei Männer und bekommen vier Antworten. Manche Waren bekommen Sie gar nicht mehr, Zucker zum Beispiel. Wird alles gehortet. Die Hehler warten, bis das neue Geld kommt. Der Preis für eine Ami-Zigarette ist über Nacht von acht auf zwölf Reichsmark hochgegangen. Die Leute geben ihr Geld aus, als wäre es ihnen egal, dass sie morgen vielleicht pleite sind. Alle sind nervös.
Na, und plötzlich tauchen diese neuen Lappen auf. ›Das wird das Geld der Alliierten sein!‹, flüstert jemand. Einer kauft es. Dann denkt er, dass er übers Ohr gehauen worden ist und ihm wertlose Blüten angedreht wurden. Also verkauft er die Scheine weiter. Kein schlechtes Geschäft, denn da die Waren immer knapper werden, steigen die Preise. Und der Nächste verkauft es wieder. Und wieder. Irgendwann kamen diese beiden Scheine zu mir. Waren da schon ganz schön teuer.« Suchardt blickt Stave eindringlich an.
»Sie erhalten Ihre Belohnung«, versichert ihm der Oberinspektor. »Wer hat diese Scheine in Umlauf gebracht?«
»Keine Ahnung. Hab sie ja aus dritter oder vierter Hand gekauft.«
Beinahe hätte Stave Suchardt aufgefordert, mitzukommen und sich im Büro mit der Verbrecherkartei der Kripo mögliche Verdächtige anzusehen. Er erinnert sich gerade noch rechtzeitig an das amputierte Bein. »Ich hole Ihnen unsere Karten«, sagt er.
Kurz darauf wuchtet er eine Holzkiste herein: darin Hunderte anthropometrische Karten, der Stolz der Hamburger Krimsches, eingeführt schon 1894. Alle jemals in der Stadt ertappten Ganoven, dazu alle Menschen, nach denen gefahndet wird, sauber verzeichnet auf ein paar Quadratzentimetern Pappe. Foto frontal und von der Seite, Fingerabdrücke, letzte bekannte Adresse, bestimmte unveränderliche äußere Merkmale.
»Lassen Sie sich Zeit«, sagt er.
»Aber wonach soll ich denn überhaupt suchen?«, erwidert Suchardt leicht verzweifelt. »Wenn ich doch gar nicht weiß, wer diese Blüten auf dem Goldbekplatz verteilt hat?«
»Lassen Sie sich inspirieren«, beruhigt ihn der Oberinspektor und lehnt sich zurück.
Er wartet fast eine halbe Stunde, während sich Suchardt langsam durch die Karteikarten arbeitet – und tatsächlich bleibt die Hand des Spitzels schließlich bei einer Karte hängen, er zieht sie hervor. »Ich weiß nicht, ob der etwas mit den Blüten zu tun hat«, erzählt Suchardt zögernd, »aber der treibt sich auf jeden Fall auf dem Schwarzmarkt herum. Und die Stammgäste auf dem Goldbekplatz wissen, dass er nicht sauber ist. Der hat schon mal gefälschte Scheine verschanzt.«
Stave nimmt ihm die Karte ab, auch MacDonald beugt sich vor. »Toni Weber«, murmelt er. Geboren 1903 in Berlin, die Polizeifotos zeigen einen dünnen Mann mit kurzen Haaren, der nicht grimmig oder
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