Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
dass Sie vielleicht nicht kommen, weil es Ärger gibt, sondern weil Sie meine Sekretärin verführen wollen. Jetzt habe ich nicht mal mehr ein Vorzimmer, in dem eine Sekretärin sitzen und auf Sie warten könnte.«
»Also bleibt nur der Ärger. Tut mir leid, alter Junge. Ich bin nicht überrascht, dass Sie die Abteilung gewechselt haben: Irgendwann hat auch der tapferste Krieger genug von Kugeln und Leichen. Und seit einer Stunde bin ich sogar richtig froh darüber. Der Herr Zivilgouverneur möchte gerne in einem, sagen wir: sensiblen Fall mit dem Chefamt S kooperieren.«
»Diskret, selbstverständlich.«
»Ihren Vorgesetzten dürfen Sie informieren. Aber es muss nicht unbedingt morgen in der Zeitung stehen.«
»Ich ermittle schon in einem Fall.«
»Umso besser. Dann fällt es weniger auf, wenn Sie sich auch noch in einer anderen Sache umhören.« MacDonald nimmt Platz und zündet sich eine John Players an. Er hat es längst aufgegeben, Stave ebenfalls Zigaretten anzubieten. »Die britische Verwaltung hat gewisse Informanten, die uns mit Neuigkeiten versorgen.«
»Spitzel?«
»Zuverlässige Beobachter. Einer jener Herren war vor einer Stunde bei mir und hat mir das überreicht.« Der Offizier holt eine lederne Brieftasche aus seinem Uniformjackett und zieht zwei Geldscheine heraus: Der eine zeigt ein grün-gelbliches Rautenmuster, eine »5« in der Mitte, dazu den Aufdruck: »Fünf Pfennig – BANK DEUTSCHER LÄNDER«. Der zweite Schein ist blau, mit einem anderen Muster, eine Zehn-Pfennig-Note, dieselbe Bankangabe.
»Irgendjemand hat ein kleines Bündel dieser Scheine auf dem Schwarzmarkt am Goldbergplatz gegen Reichsmark verkauft. Heute Mittag«, fährt MacDonald fort. Er klingt, als erzähle er eine Anekdote, doch sein durchgedrückter Rücken und die angespannten Kiefermuskeln verraten dem Kripo-Beamten, wie aufmerksam er ist.
»Ich habe noch nie 5- oder 10-Pfennig-Scheine gesehen. Und noch nie mit einem solchen Muster und so einer Aufschrift«, erwidert Stave und lächelt, »aber ich kann mir denken, warum Sie hier sind.«
Der Lieutenant wirbelt mit der Linken eine Tabakwolke beiseite. »Deshalb bilden wir so ein gutes Team.«
»Seit Wochen wispern sich die Leute Geschichten vom Tag X und dem neuen Geld zu«, fährt der Kripo-Mann fort. »Heute Morgen habe ich mit allen Kollegen den Rathausplatz gesperrt, stundenlang. Armeelastwagen rollten heran, Kisten wurden in die Landeszentralbank getragen. Nicht gerade das, was ich eine Geheimoperation nennen würde. Tausend neue Gerüchte werden herumschwirren.«
»Und das nutzt ein cleverer Fälscher, um Fantasiegeld unter die Leute zu bringen. Spielzeugnoten. Aber unser Informant sagt, sie wurden als ›das Geld von morgen‹ verkauft. Die meisten haben das als Unsinn abgetan. Aber es gab ein paar Leichtgläubige, die diese Lappen tatsächlich gekauft haben.«
Stave denkt an einen Fall, der im vergangenen Jahr bei den Krimsches ebenso viel Fassungslosigkeit wie Heiterkeit verursacht hatte: Ein Steindrucker hatte in Hamburg mit seinen Geräten im Keller Fett- und Zuckermarken gedruckt und per Hand eingefärbt. Keine sehr geschickten Fälschungen, doch gut genug, um ihm in kurzer Zeit 430 Kilogramm Fett und 320 Kilogramm Zucker einzubringen, ein Vermögen. Und er erinnert sich an den Kleingeldmangel im Geschäft auf der Mönkebergstraße. »Keine schlechte Idee, Pfennige auf Scheine zu drucken«, murmelt er. »Das macht die Sache irgendwie glaubhafter, als würde man versuchen, 100-Mark-Scheine zu verschanzen.«
»Doch je glaubhafter dieser Fälscher ist, desto mehr Menschen werden seine Machwerke kaufen. Und dann? Sie werden irgendwann feststellen, dass sie das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Wieder werden die Menschen vom Geld enttäuscht sein. Die Reichsmark ist bloß noch ein Witz. Ich muss Ihnen nicht sagen, wie groß die Hoffnungen der Deutschen auf eine neue Währung sind. Und ich verrate Ihnen wohl auch kein Geheimnis meiner alliierten Vorgesetzten, wenn ich Ihnen sage: Ja, irgendwann wird eine neue Währung kommen. Aber welche Währung das ist und wann sie kommt, dass muss uns vorbehalten sein. Wir dürfen auf keinen Fall diese große Hoffnung enttäuschen und das Vertrauen verspielen.«
»Ein dreister Geldfälscher würde Ihnen die Sache vermasseln.«
»In Hamburg und vielleicht in der ganzen Trizone. Wenn die Leute einmal verunsichert sind, dann werden sie misstrauisch. Sie werden, wenn sie dann kommt, auch der neuen
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