Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Kunstwerke hier. Wer stellt sich schon Objekte ins Büro? Zudem noch solche modernen Plastiken? In der braunen Zeit?« Er deutet auf ein Ölbild neben dem Kamin, das ein abstürzendes Flugzeug über einer menschenleeren Stadt zeigt, vor einem nachtschwarzen Himmel. »Radziwill. Meine Frau hat es geliebt, vor allem, nachdem sie ihre Diagnose bekommen hatte. Sie verehrte sonst Seurat, der doch so ganz anders gemalt hat. Ich habe zwei, drei Liebermanns im Salon nebenan, ein wenig Neue Sachlichkeit, einige Fauves. Expressionisten auch«, setzt er nach kurzem Zögern hinzu, »aber eher Grafiken und Ölbilder, keine Objekte.« Er deutet auf die Fotos in Staves Hand. »Das sind Expressionisten, solide Arbeiten, soweit man das erkennen kann auf so einem Polizeibild. Gut, aber doch nicht so gut, dass Sie diese Werke in den zwanziger Jahren in der Galerie Flechtheim in Berlin gefunden hätten. Und nach den zwanziger Jahren dann sowieso nirgends mehr.«
»Sie haben diese Werke also nie gesehen?«
»Nicht in Museen, nicht in den Galerien, in denen ich eingekauft habe, nicht in den Ateliers der Künstler, die ich direkt unterstützte.«
»Wer hat mit Ihnen im Reimershof gearbeitet?«
»Niemand. Das war mein Refugium.«
Der Oberinspektor denkt an den Toten. »Kein Sekretär? Nicht einmal ein Bote? Ein Hausmeister?«
»Eine Reinmachefrau kam einmal die Woche vorbei. Ich verstehe nicht, was sie mit diesen Kunstwerken zu tun haben soll, die Sie in den Trümmern gefunden haben.«
»Nichts, nehme ich an. Doktor Schramm, wir haben in den Trümmern des Reimershofes auch eine männliche Leiche gefunden.«
»Wie bedauerlich, aber in diesem Fall befragen Sie den Falschen. Es gab dort andere Mieter. Doch die kannte ich kaum.« Schramm wirkt nicht so, als habe ihn diese Nachricht erschüttert.
Stave reicht dem Bankier eine Karte mit seiner Telefonverbindung. Er hat seinen Namen, den Dienstrang und die Nummer seiner neuen Abteilung am frühen Morgen mehrfach auf Kartonkärtchen getippt. Sieht schäbig aus, aber das ist jetzt nicht seine größte Sorge. »Melden Sie sich bitte, falls Ihnen noch etwas dazu einfällt«, erklärt er. »Es könnte auch sein, dass ich Sie in dieser Angelegenheit noch einmal befragen muss.«
Schramm zückt eine lederne Brieftasche. Der Oberinspektor glaubt einen Moment, nun seinerseits eine zweifellos feinere Visitenkarte entgegennehmen zu können, doch der Bankier holt stattdessen einen mehrfach geknickten Zettel hervor: »Der Staatskommissar der Hansestadt Hamburg für die Entnazifizierung/ Kategorisierung« steht groß auf dem gelblichen Papier, darunter, maschinenschriftlich, der Name des Bankiers. Ein Entlastungsschein, auf dem Schwarzmarkt »Persilschein« genannt, Fälschungen gehen für ein Vermögen von Hand zu Hand. Dieser Schein sieht echt aus, denkt Stave.
»Ich bin gecleart«, sagt Schramm und seine Stimme zittert vor mühsam unterdrückter Erregung. »Ich erfreue mich bester Verbindungen zur britischen Besatzungsmacht und zum Bürgermeister. Jahrelang bin ich von den Kerlen der Gestapo befragt worden, wieder und immer wieder. Meine Frau ist darüber hinfällig geworden und ich musste zusehen, wie diese Herren sie bei ihrem Verfall angestarrt haben. Ohne Zweifel haben sie selbst darüber eine Akte angelegt. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Jetzt werden Sie nicht damit beginnen. Oder soll ich sagen: Und damit weitermachen? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Sie werden hier nicht jeden Tag aufkreuzen, ihren Wagen gut sichtbar auf meine Auffahrt stellen, mir in meinem eigenen Haus absurde Fragen nach obskuren Kunstwerken stellen. Sie müssten schon einen guten Grund haben, um hier noch einmal vorstellig zu werden, einen sehr guten Grund. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Danke für Ihre offenen Worte«, erwidert Stave und greift nach seinem Hut.
Eine Minute später sitzt er neben Ruge im Streifenwagen und lässt den rasselnden Achtzylinder an.
»Den Kerl möchte ich nicht zum Feind haben!«, ruft der Schupo und pfeift zwischen den Zähnen. Er hat erst gewagt zu reden, als sie schon ein Stück weit die Straße hinuntergerollt sind.
»Zu spät. Sie haben ihn schon zum Feind. Mit ein bisschen Glück hat er sich aber nicht ihren Namen oder ihr Gesicht gemerkt.«
»Ihren Namen hat er aber. Sie haben ihm Ihre Karte gegeben.«
»Ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Neben der riesigen Villa, dem teuren Mercedes, dem gepflegten Garten, den dicken Teppichen, den Ölschinken an
Weitere Kostenlose Bücher