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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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widerstrebt dem Oberinspektor, in diesen Kreisen herumzuschnüffeln. Er glaubt, dass es keinen Polizisten oder Richter etwas angeht, mit wem ein erwachsener Mensch sein Bett teilt.
    Doch wo ist der Mann hin? Lebt er noch in Hamburg? Hat er überhaupt etwas mit den gefälschten Geldscheinen zu tun? Mehr als eine vage Beschuldigung hat er nicht.
    Wird Zeit, dass ich mehr über diesen Kerl erfahre, beschließt Stave und steht auf. Eine halbe Stunde später trägt er eine weitere Akte in sein Büro: die alten Ermittlungen gegen Toni Weber. Zunächst eine anonyme Anzeige. Nachforschungen eines Kollegen von der Sitte. Die Beschuldigung eines Strichjungen. Eine Anklage wegen Verstoßes gegen Paragraf 175, eine Geldstrafe. Immerhin nur das. Früher, denkt Stave, wären einige Jahre Knast fällig gewesen, oder Schlimmeres: Konzentrationslager und rosa Winkel, Schläge, ein elender Tod in einer Galgenschlinge aus Klavierdraht.
    Der nächste Teil der Akte besteht aus ein paar getippten Berichten, schlechten Fotos der auf einem Tisch präsentierten nachgemachten Marken, Kopien von Anklage und Urteil wegen Fälschung. Außer wenigen Daten wie Geburtstag und Adresse in beiden Fällen nichts Persönliches. Kein Name im ersten Verfahren außer dem des Strichjungen. Aber ein weiterer Name im zweiten Fall: Paul Michel.
    Der Oberinspektor blättert durch ein Verhörprotokoll. Selbst in der Beamtensprache schimmert die Angst durch, die Michel ausgestanden haben muss. Er war offiziell als Zeuge vorgeladen worden, doch er hatte gewusst, dass auch ihm eine Anklage drohte. Michel hatte mindestens einmal Fälschungen von Weber aus dessen Druckerei bis zum Goldbekplatz transportiert – in seiner stählernen Beinprothese. Ein Kriegsversehrter, vermutet Stave, ein alter Freund von Weber, oder ein spezieller Freund, auch wenn dies den vernehmenden Kriminalbeamten seinerzeit offenbar wenig interessiert hatte, denn nirgendwo findet Stave präzise Angaben dazu, bloß hier und da Andeutungen in den Aussagen des Zeugen, die man bei bösem Willen als ungehörig verstehen könnte, die aber wahrscheinlich ganz harmlos waren.
    Michel hatte behauptet, nicht gewusst zu haben, dass er Fälschungen bei sich gehabt hatte; er habe an die Echtheit der Lebensmittelkarten geglaubt. Eine dünne Lüge, denn erstens ist auch der Handel mit echten Bezugsscheinen illegal. Und zweitens wusste er keine Antwort auf die Nachfrage des Krimsches, warum er dann, wenn er an die Echtheit der Papiere glaubte, sie in seiner Prothese versteckt hatte.
    Trotzdem findet Stave in den Akten keinen weiteren Hinweis auf Michel. Keine Anklage, damit auch kein Urteil. Sie haben ihn damals laufengelassen, sagt er sich. Vielleicht war Michel ein zu kleiner Fisch. Vielleicht hatte irgendjemand Mitleid mit dem Einbeinigen. Stave mag den Gedanken nicht, nun wie ein Gespenst aus der Vergangenheit bei dem Versehrten aufzutauchen. Doch zurzeit ist es die einzige Spur, die er verfolgen kann. Er notiert sich dessen Adresse und macht sich auf den Weg.
    Die Lerchenstraße ist schmal, kaum mehr als eine Gasse nahe dem Heiliggeistfeld in St.   Pauli. Kein weiter Weg von der Kripo-Zentrale bis dorthin, doch trotzdem ist der Oberinspektor durchnässt, als er ankommt. Stave blickt kurz auf das Schillertheater an der Lerchenstraße, ein rundes Gebäude, das wie ein Zirkuszelt geformt ist und in dem bis 1945 derbe Komödien und Operetten gegeben wurden. Einmal war er mit Margarethe dort gewesen, 1938 oder 1939, er erinnert sich nicht mehr genau. Nun hausen in der ausgeweideten Halle Ausgebombte und Vertriebene. An einer Außenmauer lehnen drei Halbwüchsige, Schlägermützen tief in der Stirn, Hände in den Hosentaschen, Zigaretten zwischen schmalen Lippen. Er spürt ihre Blicke in seinem Rücken, als er langsam den Bürgersteig entlanggeht.
    In der Lerchenstraße 23 steht ein von einer Bombe geköpftes Mietshaus: ein Erdgeschoss aus brandgeschwärzten Ziegelmauern, darüber aufgerissene, unbetretbare Wohnungen, durchfeuchtete Zwischendecken, schiefe Wände, sichtbare Rohre, Kaminstümpfe. Vom Dachstuhl ist ein verkohlter Balken geblieben, der in den grauen Himmel ragt wie ein eingesunkenes Grabkreuz. Mit Kreide hat jemand einen Namen an die dunkle Tür geschrieben: »Michel«. Schöne Handschrift, denkt Stave.
    Der Mann, der ihm öffnet, ist ausgemergelt und kahl wie ein Greis, die Haut schrundig, dunkle Augen tief in den Höhlen, die magere Linke umklammert einen Gehstock. Trotzdem schätzt der

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