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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Sie von mir?«
    »Ich habe ein paar Fragen zum Reimershof. Ich nehme an, Sie kennen das Kontorhaus?«
    »Es ist zerbombt. Seit 1943. Restlos zerstört.«
    »Nicht ganz«, erwidert der Oberinspektor und lächelt dünn. »Dürfen wir eintreten?«
    Schramm fingert einen großen Schlüssel ins Schloss. Gichtige Hände, denkt Stave. Bevor der Bankier den Schlüssel ganz umgedreht hat, wird von innen der Riegel zurückgeschoben. Ein Hausmädchen öffnet ihnen, jung, weißes Häubchen, schwarzes Kleid. Der Oberinspektor hat solche Bedienstete zuletzt im Kino gesehen, vor dem Krieg.
    »Herr Direktor«, stammelt sie.
    »Schon gut, Elfriede«, beschwichtigt Schramm sie, streift sich mit selbstverständlicher Geste den Mantel ab, reicht ihn ihr. Seinen Gehstock stellt er in einen Weidenkorb neben der Tür. Diese Geste ist behutsamer als die Art, wie er dem Mädchen seinen Mantel reicht. »Die Herren und ich gehen ins Klavierzimmer. Wir brauchen Sie dort nicht.«
    Wie ein Schatten verschwindet das Dienstmädchen; Stave glaubt, ihre Erleichterung riechen zu können. Der Bankier führt sie in einen Raum, in dem ein Sprossenfenster graues Licht hineinfluten lässt. Stave erkennt dahinter einen gepflegten Garten, sein Blick wandert zurück in das Zimmer, zum Bechstein-Flügel, zum Kamin, auf dessen Sims etliche in Silber gerahmte, sepiagetönte Fotos stehen. Das Bild in der Mitte zeigt einige Menschen, die sich in einem imposanten Raum in Positur gestellt haben: Schramm, jünger als jetzt, eine eingefallene Frau im Rollstuhl, einige deutlich jüngere Männer und Frauen in der Mode der dreißiger Jahre. Niemand lächelt. Im Hintergrund fallen Sonnenstrahlen durch ein Sprossenfenster, das dem im Klavierzimmer gleicht. Die Wände sind von Bücherregalen zugestellt, davor Skulpturen, Vasen mit üppigen Blumensträußen, Urkunden unter Glas.
    »Der letzte Geburtstag meiner Frau«, erklärt Schramm, dem die Aufmerksamkeit seines Besuchers nicht entgangen ist. »Weihnachten 1938.«
    »Sie war krank?« Stave bedeutet Ruge, dem das peinlich ist, genauer hinzuschauen. Mal sehen, ob der Schupo etwas bemerkt, denkt er.
    »Blutarmut. Die Ärzte haben alles versucht, aber keine Kur hat geholfen. 1939 ist sie dann gestorben. Am 1.   September. Ich glaube nicht, dass dies ein Zufall war.«
    »Mein Beileid, auch wenn es dafür reichlich spät ist.« Der Oberinspektor wendet sich vom Bild ab und blickt den alten Bankier an. »Ich bin gestern in den Reimershof gerufen worden. Oder in das, was davon noch übrig ist. Sie sind einer der Mieter dort gewesen?«
    »Einer von mehreren.«
    »Trümmerfrauen haben bei Aufräumarbeiten bemerkenswerte Funde gemacht.« Stave zieht die Fotos der Skulpturen aus seiner Manteltasche. »Erkennen Sie diese Objekte wieder?«
    »Nein.«
    Stave blickt Schramm verblüfft an. »Lassen Sie sich ruhig Zeit. Sehen Sie genau hin.«
    »Meine Augen sind noch tadellos. Mein Kunstsinn ist es auch. Mein Erinnerungsvermögen erst recht. Das sind keine Werke aus meiner Sammlung.«
    »Sie ahnen, warum ich mit diesen Fotos zu Ihnen gekommen bin?«
    Schramm seufzt. »Meine Leidenschaft für Kunst. Die ich mit meiner Gattin teilte, es war gewissermaßen unsere größte gemeinsame Leidenschaft.« Er räuspert sich.
    »Sie förderten auch zeitgenössische Künstler.«
    »Und ich fördere sie immer noch. Sofern sich nach den zwölf barbarischen Jahren noch talentierte junge Leute finden. Es ist leichter, Geld zu verdienen, als Kunst zu erschaffen, glauben Sie mir.«
    Stave, der an sein eigenes Gehalt denkt, ist anderer Meinung, aber nickt trotzdem. »Deshalb glauben wir, dass wir nach diesen Funden von allen Mietern des Reimershofes zunächst Sie befragen sollten.«
    »Warum sollte ich Kunstwerke in einem Büro aufstellen? Ich habe dort wenige Räume angemietet, eine Schreibstube mit Telefon, zwei Zimmer für Akten. Um mich dort gelegentlich zurückzuziehen, abseits der hektischen Tätigkeit in meiner Bank. Und um«, er zögert kurz, »gewisse vertrauliche Geschäfte abzuwickeln. So vertraulich, dass ich sie sozusagen im offiziellen Rahmen meiner Bankräume nicht tätigen wollte.«
    »Welche Geschäfte?«
    »Bankgeheimnis. Keine illegalen Geschäfte, falls es Sie beruhigt.«
    »Selbstverständlich«, erwidert der Oberinspektor in einem Ton, der klarmacht, dass es ihn selbstverständlich nicht beruhigt. »Und bei diesen Geschäften ging es nie um Kunst?«
    Schramm macht mit der gichtigen Rechten eine ungeduldige Geste. »Ich habe meine

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