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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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der Wand, dem Flügel, dem Kamin und dem flotten Dienstmädchen?« Der Hauptpolizist schüttelt den Kopf. »Nein, sonst ist mir nichts aufgefallen. Otto Normalverbraucher wie du und ich.«
    »Das Foto auf dem Kaminsims«, erinnert ihn Stave in ironischem Tonfall.
    »Die Frau im Rollstuhl? Schreckliche Sache.«
    »Vergessen Sie die Unglückliche.«
    »Die Männer und Frauen daneben? Die sahen auch nicht glücklich aus. Steht einer von denen in unserer Kartei? Ich könnte mich auf die Suche machen.«
    »Der Raum, Ruge!« Stave seufzt. »Haben Sie auf den Raum geachtet, in dem das Foto aufgenommen wurde?«
    »Größer als meine Bleibe, das ist mal sicher.«
    »Und besser eingerichtet.«
    »Ja, Bücher und Bilder und …« Die Stimme des Schupos verklingt, plötzlich ist er blass.
    »… und Skulpturen im Regal.« Stave zerrt, während er rechts auf die Straße entlang der Alster abbiegt, eines von Kienles Polizeibildern aus seinem Mantel.
    »Der Frauenkopf aus Bronze, der im Reimershof lag«, flüstert Ruge.
    »Den Schramm noch nie gesehen haben will, obwohl er zumindest Ende 1938 in seiner eigenen Villa stand, wie das Foto mit seiner beklagenswerten Gattin und den unglücklich dreinsehenden Verwandten beweist. Denn hinter der trauten Familie steht ebenjener Frauenkopf im Regal. Möchte wissen, was diese seltsame Gedächtnislücke unseres Bankiers wohl zu bedeuten hat.«
    »Könnte das ein Grund sein, Schramm noch einmal zu befragen?«
    »Ein sehr guter Grund.«
    Als er allein in seinem Büro ist, zerfällt Staves Zuversicht. Es ist still im Raum, der Regen benetzt die Scheiben mit so feinen Tropfen, dass sich der Oberinspektor sogar nach einem richtigen Schauer sehnt, nur um wenigstens das Prasseln zu hören. Es stinkt nach schlechter Luft, scharfen Reinigungsmitteln und feuchten Tapeten. Er gesteht sich ein, dass er nichts hat, um gegen Schramm vorgehen zu können. Der Bankier hat ihm über den bronzenen Frauenkopf nicht die Wahrheit gesagt – na und? Eine Falschaussage, aber letztlich bloß zu seinen eigenen Ungunsten: Schramm verzichtet damit auf ein Kunstwerk, das ihm einst gehört hat. Das ist kein Verbrechen. Und mehr hat Stave nicht. Kein Motiv, nicht einmal einen Verdacht, warum der alte Herr ihn angelogen hat. Gegen einen einflussreichen Mann wie Schramm, zudem einen Verfolgten des Naziregimes, würde Ehrlich auf dieser Basis wohl kaum Anklage erheben. Eine Bagatelle. Ein Fall, dessen Akte geschlossen und vergessen werden sollte.
    Und doch: Stave wird unruhig bei dem Gedanken, einfach Staub auf einer Akte sich ansammeln zu lassen. Das hat es bei der Mordkommission nie gegeben. Nicht mit ihm zumindest. Kein Grund, damit nun im Chefamt S anzufangen. Schließlich ist da der Tote, um den sich Dönnecke nicht kümmert. Zwei Räume hat der Bankier gemietet, das hatte er selbst vorhin ausgesagt. Die Leiche lag in dem Schutthaufen, den der Oberinspektor für den Nebenraum jenes Zimmers hält, in dem die Kunstwerke wahrscheinlich aufbewahrt wurden. Schramms zweites Büro? Oder bloß ein Zufall? Der Raum einer anderen Firma? Würde Stave offiziell ermitteln, er hätte den alten Herrn nach dem Toten gefragt und auf dessen Reaktion gelauert: Verlegenheit, Scham, Angst, ein winziges Zögern, ein Flackern der Augenlider … Aber so muss er eine Fassade errichten, muss über den Umweg der Kunstwerke ermitteln. Der Kripo-Mann seufzt und verspottet sich gleich darauf selbst für diesen theatralischen Ausbruch. Er hat ein paar Talente, aber Schauspielerei gehört bislang nicht dazu. Wird Zeit, das einmal auszuprobieren.
    Er deponiert den schmalen Hängeordner in seiner Registratur, die erste Akte in seinem Büro. Langsam fängt er an, sich dort einzurichten. Er nimmt einen leeren grauen Papphefter aus seinem Schreibtisch und legt die zweite Akte an: »Geldfälscher, Goldbekplatz«. Kommt er mit dem einen Fall nicht weiter, wird er sich eben in den anderen verbeißen.
    Eine Viertelstunde später glaubt er langsam an das Gespött der Kollegen über das Chefamt S: Chefamt Sackgasse. Es ist wie verhext, auch im zweiten Fall läuft er gegen eine Wand. Er hat einige Schupos auf den Goldbekplatz geschickt, andere zu der Ley-Hütte in Fuhlsbüttel. Keine Resultate. Toni Weber, der Künstler und verurteilte Fälscher, hat sich in der diesigen Luft aufgelöst. Ist er bei einem Hundertfünfundsiebziger-Freund? Er müsste bei den Kollegen der Sitte nachfragen, deren einschlägige Kartei hat die Kapitulation überdauert. Aber es

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