Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Hat mit dem Helmut Käutner gearbeitet, bei der Produktion von ›In jenen Tagen‹ Requisiten zusammengezimmert. Außerdem malt er Aquarelle. Porträts.«
»Von lebenden Personen?«
»Von wem sonst? Sind ja einige Hamburger ganz gut durch den Schlamassel gekommen. Der erfolgreichste Maler der Stadt ist Ivo Hauptmann, der Sohn vom berühmten Schriftsteller. Kostet dreitausend Reichsmark, wenn der Ihre Gattin verewigen soll, mindestens. Bei Weber kommen Sie mit achthundert Reichsmark davon.«
Stave denkt an Bankier Schramm und nickt. »Ein kleiner, aber lukrativer Markt.«
Der Einbeinige kratzt sich am Kopf. »Und einer, der wächst. Zwar weiß keiner genau, was nach dem Tag X kommt. Aber Kunstwerke sind in unsicheren Zeiten eine gute Anlage. Je unsicherer die Zeit vor dem Geldwechsel, desto besser für Künstler. Für die meisten jedenfalls, für mich nicht. Weber hat neulich bei C & A ausgestellt. Sie haben dort eine Vernissage organisiert, die sie ›Kunstrunde‹ nennen. In einem Kaufhaus! War aber ein Erfolg, wie ich gehört habe.«
»Warum hat Weber dann 1946 Lebensmittelmarken gefälscht, wenn er doch so erfolgreich war? Marken, die Sie in Ihrer Prothese versteckt hatten.«
»Danke für den Hinweis, ich hätte es schon beinahe vergessen«, erwidert Michel mit säuerlichem Gesichtsausdruck. »1946 war Weber noch nicht bekannt. Ein Künstler, der keine Werke verkaufen konnte. Man muss sich halt durchschlagen. Nach der Haft hat er sich aber geschworen, dass ihm so etwas nie wieder geschieht. Und irgendwie hat er es hinbekommen, nach seiner Entlassung aus Fuhlsbüttel tatsächlich Bilder zu verkaufen. Dann kam Käutner mit seinem Film. Und seither geht es ihm gut.«
Stave überlegt kurz, ob er Michel nach Webers besonderen Vorlieben fragen soll. Nach speziellen »gute Freunden« des Künstlers. Vielleicht ahnt der aber davon kaum mehr als das, was er schon angedeutet hat. Der Oberinspektor weiß, dass die Hundertfünfundsiebziger ihr Privatleben gerne sehr privat halten. Kein Wunder. Er entscheidet sich dagegen, die Sache zu verfolgen.
»Wissen Sie, wo ich Weber finden kann?«
»In Travemünde.«
Der Kripo-Beamte lehnt sich zurück, halb befriedigt, endlich eine verwertbare Aussage zu bekommen, halb enttäuscht darüber, dass der Mann, den er sucht, nicht in Hamburg ist. »Warum?«
»Er hat bei der C & A-Ausstellung einen neuen Kunden kennengelernt. Einen jener Herren, die erst in letzter Zeit zu einem gewissen Vermögen gekommen sind.«
»Einen Schieber?«
»Sie dürfen das laut sagen. Wenn einer wie ich das tut, dann klopfen muskulöse junge Männer an meine Tür und treten mir vor mein verbliebenes Schienbein.«
»Und weshalb ist Weber in Travemünde?«
»Sein neuer Kunde hat sich ein Häuschen an der Ostsee zugelegt. Weber soll es dekorieren. Der Kunde hat ihn eingeladen. Er ist seit einigen Tagen dort.«
»Haben Sie seinen Namen?«
»Zufälligerweise ja. Weber war so stolz auf den Auftrag, dass er es überall herumerzählt hat.«
Fünf Minuten später verlässt der Kripo-Mann die Wohnung, erleichtert, dass ihm die Ruine nicht über dem Kopf zusammengestürzt ist. Er atmet tief durch und schüttelt seinen Mantel aus, in der Hoffnung, irgendwie den Fäulnisgeruch aus dem Stoff zu bekommen. Auf dem Notizblock hat er eine Adresse in Travemünde, im Bauch ein schlechtes Gefühl. Toni Weber ist gut im Geschäft: als Requisiteur bei einer der wenigen Filmproduktionsgesellschaften, die in Deutschland arbeiten. Als Maler, der Porträts von Wohlhabenden für einige hundert Reichsmark anfertigt. Als Dekorateur im Haus eines Schiebers. Warum sollte ausgerechnet so jemand obskure Geldscheine fälschen? Als Wiederholungstäter würde er dafür ein paar Jahre Haft riskieren. Stave befürchtet, schon wieder in eine Sackgasse eingebogen zu sein.
Kurz vor fünf Uhr. Er tritt ins »Tanz-Café Fiedler«, ein Flachdachbau, hineingezwängt in eine Bombenlücke zwischen mehrstöckigen Mietskasernen. Auf der schäbig weiß verputzten Fassade prangt unter dem Namen eine hingepinselte Mitteilung: »Warme Küche«. Stave, der wieder einmal mittags nichts gegessen hat, ist einen Moment versucht, sich ein frühes Abendmahl bringen zu lassen, doch dann erinnert er sich an Annas Vorlieben und bestellt bei einer sehr jungen Kellnerin zwei Tassen Ersatzkaffee. Als er ihr einen Reichsmarkschein in die Hand drückt, senkt die Bedienstete schüchtern den Blick.
»Ich kann Ihnen nichts herausgeben. Wir haben keine Münzen
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