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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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Zugängen, auf den eisernen Brücken, die die Gleisanlagen überwölben. Kofferberge. Rufe und Kindergeschrei. Scharfe Pfiffe alter Lokomotiven. Die Nervosität der Tausenden knistert in der hohen Halle.
    Kurz hinter Wandsbek Markt, schon weniger als zwei Kilometer vor seinem Ziel, sperren Schupos die Ahrensburger Straße. Der Oberinspektor zückt seinen Ausweis.
    »Bedaure«, sagt ein schwitzender, junger Hauptpolizist. »Bombenfund in einem Haus direkt neben dem Bürgersteig. Bis die Feuerwerker fertig sind, kommt hier niemand durch. Umgehen Sie die Stelle auf Nebenstraßen.« Er deutet auf die Villen von Marienthal und setzt zu einer Wegbeschreibung an, doch Stave winkt ab. »Ich wohne in der Nähe.«
    Der Oberinspektor wendet sich ab. Bäume, mühsam gepflegte Vorgärten, zwei Opel, die am Bordstein parken. Doch selbst hier, hinter den Vorhängen der Villenfenster, hinter Stoffen, die sich bewegen, obwohl der Regen senkrecht fällt, meint der Kripo-Mann, Unruhe zu spüren. Wie kurz vor einer Revolution. Angst um das Geld, das am Sonntag einfach verschwinden und durch ein anderes ersetzt werden wird.
    Stave erreicht die Bahnlinie, wendet sich neben dem Gleisbett wieder stadtauswärts und kommt endlich gut voran. Die Jenfelder Straße kreuzt die Strecke, ein Bahnübergang, kaum dreihundert Meter von seiner Wohnung entfernt, doch er ist fast nie hier. Wozu auch? Eine verfallende weiße Baracke an den Gleisen, Relikt einer längst untergegangenen Fabrik. Daneben ein ummauertes Geviert, hüfthohes, sattgrünes Gras, Bäume mit weit gespannten Ästen, ein eisernes Tor. Der Kripo-Beamte will schon weitereilen, als er innehält. Grabsteine, die meisten halb versunken im weichen Erdreich. Ist ihm noch nie aufgefallen. Er tritt näher. Hebräische Schriftzeichen. Ein uralter jüdischer Friedhof.
    Wie dieser Friedhof wohl alle Stürme überstanden hat? Wahrscheinlich ist er so alt und versteckt, dass ihn selbst die Nazis in ihrem Furor vergessen haben. Keine Schändung, keine Fliegerbombe, aber, soweit er das von dem eisernen Tor aus sehen kann, auch kein Begräbnis mehr seit Jahren, niemand, der die Gräber pflegt, überhaupt kein Mensch auf diesem verlassenen Geviert. Er denkt an das neue Geld und den Tag X und dabei an die Nervosität und die vergessenen toten Juden – irgendwie fühlt er sich lächerlich und schuldig zugleich. Rasch geht er weiter, nur noch wenige Meter.
    Die Nummer 49 im Holstenhofweg ist eine Werkstatt an der linken Seite der Straße, ein schmuddeliger, doch intakter Bau in einem fast unzerstörten Viertel mit Lagerhallen, kleinen Fabriken und einer Druckerei. Auf dem Parkplatz stehen zwei Jeeps und ein Lastwagen der Briten. In einer offenen Garage schwebt ein weiterer Jeep auf einer Hebebühne. Mehrere ölverschmierte englische Soldaten stehen darunter und diskutieren lachend.
    »Willkommen bei Rolls-Royce, Army-style!«, ruft MacDonald, der aus dem Schutz eines Vordachs tritt und achtlos eine bloß halb gerauchte John Players fortwirft, die zischend in einer Pfütze verglimmt. »Wir haben unseren deutschen Mechanikern freigeben müssen. Sie waren zu unruhig. Jetzt werden unsere Rekruten den Job alleine erledigen. Ich fürchte, wir werden demnächst wieder auf Pferde umsteigen müssen.«
    »Ist das Ihr Jeep auf der Hebebühne?«
    »Nein, der gehört glücklicherweise einem Colonel. Meiner parkt im Hof, er ist gerade noch rechtzeitig fertig geworden, bevor Ihr Bürgermeister seine Rede gehalten hat und unsere Mechaniker zitternde Hände bekamen.«
    »Meine Hände haben auch gezittert – aber aus anderen Gründen. Sie wussten die ganze Zeit, dass das keine Blüten waren, sondern echte Scheine, nur eben nagelneu. Das sind Geldscheine aus der alliierten Druckerei. Geldscheine, die in Kisten angeliefert wurden, in Kisten, die unter schwerer Bewachung in die Landeszentralbank geschleppt worden sind. Ich stand selbst dabei. Geldscheine, die erst am kommenden Sonntag ausgegeben werden sollen, die aber nur Stunden, nachdem die englischen Lastwagen wieder davongefahren sind, bereits irgendwie in falsche Hände gelangt sind – und plötzlich auf dem Schwarzmarkt herumflatterten.«
    »Ich habe meinen Vorgesetzten gleich gesagt, dass Sie herausfinden, woher die Scheine wirklich stammen.«
    »Sie haben mir eine Komödie vorgespielt!« Stave weiß nicht recht, ob er empört sein soll oder über die grotesken Ermittlungen lachen muss. »Die Geschichte von den Blüten und den Fälschern ist erfunden. Ich hätte

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