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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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in einer herablassenden Art, aber
    wenigstens sagte er Ackley immer guten Tag.
Ackley gab nur irgendein Geknurr von sich. Er wollte ihm eigentlich nicht antworten, hatte aber
    nicht den Mut, überhaupt nichts zu sagen. Dann sagte er zu mir: »So, ich muß gehn. Auf
    später.«
»O.K.«, sagte ich. Es brach einem nicht unbedingt das Herz, wenn er wieder in sein Zimmer
    verschwand.
Stradlater zog Jacke und Krawatte und so weiter aus. »Ich muß mich wohl schnell noch rasieren«,
    sagte er. Er hatte einen ziemlich starken Bartwuchs, wirklich, den hatte er.
»Wo ist dein Mädchen?« fragte ich.
»Sie wartet im Anbau.« Er ging mit seinen Toilettensachen und Handtüchern unterm Arm
    hinaus.
Ohne Hemd oder so. Er lief immer mit nacktem Oberkörper herum, weil er sich für fabelhaft gut
    gewachsen hielt. Das stimmt sogar, das muß ich zugeben.

4. Kapitel
    Da ich nichts zu tun hatte, ging ich auch in den Waschraum und schwätzte mit ihm, während er
    sich rasierte. Außer uns war kein Mensch dort, weil alle noch beim Match waren. Von der
    Höllenhitze waren alle Fenster beschlagen. Der Wand entlang befinden sich ungefähr zehn
    Waschbecken nebeneinander.
Stradlater benützte das in der Mitte. Ich setzte mich auf das Becken neben seinem und drehte
    den Kaltwasserhahn auf und zu - eine nervöse Angewohnheit von mir. Stradlater pfiff Song of India beim Rasieren. Er pfiff immer durchdringend und falsch und suchte sich immer
    Schlager aus wie Song of India oder Das Blutbad in der 10. Avenue , die
    ohnedies schwierig sind, selbst wenn einer gut pfeifen kann. Er konnte wirklich jede Melodie
    ruinieren.
Ich sagte schon, Stradlater war ebenso schlampig wie Ackley, nur in anderer Art. Er war
    sozusagen mehr im geheimen schlampig. Er sah immer korrekt aus, aber sein Rasiermesser zum
    Beispiel war sehenswert. Es war immer ganz verrostet und mit altem Seifenschaum und Haaren und
    was weiß ich verklebt.
Er putzte es überhaupt nie. Er sah immer gut aus, wenn er sich hergerichtet hatte, aber im
    geheimen war er trotzdem unsauber, wenn man ihn so kannte wie ich. Er pflegte sein Aussehen nur
    deshalb so, weil er wahnsinnig in sich selber verliebt war. Er hielt sich für den schönsten
    Burschen der westlichen Hemisphäre. Ich muß zugeben, daß er ziemlich gut aussah. Aber nur in
    der Art, daß irgendwelche Eltern, wenn sie auf sein Bild im Jahrbuch gestoßen wären, sofort
    gefragt hätten: »Wer ist denn das?« Ich meine, er war einfach ein Typ, der auf Fotografien gut
    wirkt. In Pencey waren viele andere, die besser aussahen als er, aber im Jahrbuch wären sie
    niemandem aufgefallen. Auf einer Fotografie konnte man meinen, daß sie eine große Nase oder
    abstehende Ohren hätten. Das habe ich oft erlebt.
Ich saß also auf dem Waschbassin neben Stradlater und drehte am Kaltwasserhahn. Ich hatte immer
    noch die rote Jagdmütze verkehrt um an. Das machte mir Vergnügen.
»He«, sagte Stradlater. »Willst du mir einen großen Gefallen tun?«
»Was?« frage ich, nicht übermäßig begeistert. Er bat immer um irgendeinen großen Gefallen. Das
    machen alle so, die gut aussehen oder sich für große Kanonen halten. Weil sie für sich selbst
    schwärmen, meinen sie, man müsse ebenso für sie schwärmen und man verzehre sich danach, ihnen
    einen Gefallen zu tun. Eigentlich komisch.
»Gehst du heute abend aus?« fragte er.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Weiß noch nicht. Warum?«
»Ich muß bis Montag noch ungefähr hundert Seiten Geschichte lesen. Könntest du wohl einen
    englischen Aufsatz für mich schreiben? Ich bin schlimm dran, wenn ich das verdammte Zeug nicht
    bis Montag habe. Deshalb frage ich. Was meinst du?« Das war ein starkes Stück,
    wahrhaftig.
»Ich fliege aus der verdammten Schule heraus«, sagte ich, »und für dich soll ich einen
    verdammten Aufsatz schreiben.«
»Ja, ich weiß. Aber es ist doch eben so, daß es mir sonst selber an den Kragen geht. Sei kein
    mieser Frosch. O.K.?«
Ich antwortete nicht sofort. Manchen Parasiten wie Stradlater tut es gut, wenn man sie zappeln
    läßt.
»Über was?« fragte ich.
»Irgend etwas. Irgendeine Beschreibung. Ein Zimmer. Oder ein Haus. Oder irgendeine Erinnerung
    du weißt schon. Wenn es nur eine verdammte Schilderung ist.« Dabei gähnte er. Von so etwas
    bekomme ich Krämpfe. Ich meine, wenn einer in dem Augenblick gähnt, in dem er um eine
    Gefälligkeit bittet.
»Schreib ihn nur nicht zu gut, dann wird es schon richtig«, sagte er. »Dieser verdammte
    Hartzell hält dich für

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