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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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angehabt.«
»Reg dich nicht auf. Wo zum Teufel sind meine Zigaretten?«
»Auf dem Tisch.« Er wußte nie, wo er etwas hingelegt hatte. »Unter deinem Schal.« Er steckte
    sie in meine Jackentasche.
Ich drehte zur Abwechslung wieder meine Mütze um, mit dem Schild nach vorn. Ich wurde plötzlich
    irgendwie nervös. Ich bin überhaupt ein nervöser Mensch. »Wo gehst du denn mit ihr hin?« fragte
    ich. »Weißt du das schon?«
»Nein, New York, falls wir Zeit haben. Sie hat sich nur bis halb zehn abgemeldet, du lieber
    Himmel.«
Sein Ton gefiel mir nicht, deshalb sagte ich: »Das hat sie nur deshalb so gemacht, weil sie
    vermutlich noch nicht wußte, welch ein gutaussehender Schweinehund du bist. Wenn sie das gewußt
    hätte, hätte sie sich wohl bis halb zehn morgens abgemeldet.«
»Ganz richtig«, sagte er. Man konnte ihn nicht leicht ärgern.
Er war zu eingebildet. »Aber jetzt im Ernst. Schreib den Aufsatz für mich«, sagte er. Er hatte
    schon den Mantel angezogen und war zum Gehen bereit. »Überanstreng dich nicht damit, mach ihn
    einfach höllisch farbig, O. K.?«
Ich gab keine Antwort. Ich hatte keine Lust dazu. Ich sagte nur: »Frag sie, ob sie immer noch
    alle ihre Damen am Rand sitzen läßt.«
»O. K.«, sagte Stradlater, aber ich wußte genau, daß er es nicht ausrichten würde. »Sei nicht
    zu fleißig.« Damit stob er hinaus.
Ich blieb ungefähr noch eine halbe Stunde sitzen, nachdem er fort war. Ich saß einfach da und
    tat überhaupt nichts. Ich dachte immer an Jane und an Stradlater, der mit ihr ausging, und das
    alles. Es machte mich so nervös, wie sexy Stradlater war.
Plötzlich platzte Ackley wieder durch die verfluchten Vorhänge vom Duschraum herein. Dieses
    einzige Mal in meinem blöden Leben war ich wirklich froh über sein Erscheinen. Er lenkte mich
    von dem andern Zeug ab.
Er blieb fast bis zum Abendessen da, schwätzte über die andern und daß er sie alle nicht
    ausstehen könne und drückte an dem großen Pickel auf seinem Kinn herum. Er benützte nicht
    einmal sein Taschentuch dazu.
Vermutlich besaß der Lümmel überhaupt kein Taschentuch.
Jedenfalls habe ich nie eins bei ihm gesehen.

5. Kapitel
    Am Samstagabend gab es in Pencey immer dasselbe Essen.
Es sollte sogar etwas ganz Besonderes sein, weil man Steaks bekam. Ich wette tausend Dollar,
    daß sie es deshalb so einrichteten, weil am Sonntag viele Eltern herkamen und Thurmer sich wohl
    vorstellte, daß jede Mutter ihren geliebten Sohn sofort fragen würde, was er gestern abend
    gegessen habe, worauf er dann antworten könnte: »Steak.« Schöner Bluff. Diese Steaks hätte man
    sehen sollen. Es waren harte, trockene, winzige Dinger, die man kaum schneiden konnte. Dazu gab
    es faden Kartoffelbrei und zum Nachtisch einen Pudding, den kein Mensch aß - höchstens die
    kleinen Buben aus den untersten Klassen und solche Freßsäcke wie Ackley.
Als wir aus dem Speiseraum kamen, freute ich mich. Der Schnee lag ungefähr sieben Zentimeter
    hoch, und es schneite immer noch wie toll. Es sah fabelhaft aus, und wir warfen Schneebälle und
    tobten herum. Natürlich war das kindisch, aber es machte allen Vergnügen.
Weil ich mit niemand verabredet war, beschlossen Mal Brossard und ich, mit dem Autobus nach
    Agerstown zu fahren und dort vielleicht in irgendein blödes Kino zu gehen oder irgendwo
    Würstchen zu essen. Wir hatten keine Lust, den ganzen Abend herumzusitzen. Ich fragte Brossard,
    ob er etwas dagegen hätte, wenn Ackley mitkäme. Ackley hockte nämlich am Samstagabend immer nur
    zu Hause und drückte seine Pickel aus. Brossard sagte, er hätte nichts dagegen, obwohl die
    Aussicht ihn nicht rasend begeisterte. Er hatte Ackley nicht besonders gern. Immerhin gingen
    wir also in unsere Zimmer, um uns fertig zu machen, und während ich die Gummischuhe und so
    weiter anzog, brüllte ich, ob Ackley mit uns ins Kino gehen wolle. Er konnte mich durch die
    Vorhänge vom Duschraum ganz gut hören, aber er gab zuerst keine Antwort. Es gehörte zu seinen
    typischen Gewohnheiten, daß er nie sofort Antwort gab. Endlich kam er durch die verdammten
    Vorhänge, blieb dort stehen und fragte, wer sonst noch mitginge. Er mußte das immer genau
    wissen. Wenn er irgendwo schiffbrüchig gewesen wäre und man hätte ihn in einem Boot retten
    wollen, so hätte er genau wissen müssen, wer das verdammte Boot rudere, bevor er eingestiegen
    wäre. Er sagte: »Also schön, wart einen Augenblick.« Es klang wie eine große Gnade.
Er brauchte ungefähr fünf

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