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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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eine Kanone bei Aufsätzen, und er weiß, daß wir zusammenwohnen. Ich
    meine, setz nur nicht alle Kommas und so weiter an die richtige Stelle.«
Das ist wieder so etwas, wovon ich Krämpfe bekomme. Wenn man gut Aufsätze schreiben kann und
    dann jemand von Kommas zu reden anfängt. Stradlater tat das immer. Er wollte einem weismachen,
    daß er nur deshalb schlecht im Aufsatz sei, weil er die Kommas falsch einsetzte. In diesem
    Punkt war er ähnlich wie Ackley. Einmal saß ich bei diesem Basketballspiel direkt neben Ackley.
    Wir hatten einen phantastischen Kerl in der Mannschaft, Howie Coyle, der die Bälle von der
    Mitte des Spielfeldes aus reinbekam, ohne nur das Brett zu berühren oder so. Ackley sagte immer
    wieder, während des ganzen verdammten Spiels, dieser Coyle habe einen idealen Basketballkörper.
    Mein Gott, wie ich diesen Quatsch hasse.
Allmählich langweilte ich mich auf dem Waschbassin. Ich stand auf und fing einen Steptanz an,
    einfach aus Blödsinn. Es machte mir einfach Spaß. Der Steinboden eignete sich gut dafür, obwohl
    ich gar nicht steppen kann. Ich machte die Tänzer in Filmen nach, in diesen Musicals. Ich hasse
    Filme wie Gift, aber sie nachahmen macht mir Spaß. Stradlater sah mir im Spiegel zu, während er
    sich rasierte. Ich brauche nur Publikum, mehr nicht. Ich bin ein Exhibitionist. »Ich bin der
    Sohn des blöden Gouverneurs«, sagte ich. Ich kam in Fahrt und tanzte durch den ganzen Raum. »Er
    will nicht, daß ich Tänzer werde. Er will mich nach Oxford schicken. Aber das Tanzen liegt mir
    im Blut.«
Stradlater lachte. Er hatte keinen üblen Sinn für Humor.
»Die Premiere der Ziegfeld Follies«, sagte ich außer Atem.
Ich bin furchtbar kurzatmig. »Der erste Tänzer kann nicht weiter. Er ist besoffen. Wen sollen
    sie als Ersatz nehmen? Mich natürlich. Den Sohn des verdammten Gouverneurs.«
»Wo hast du die Mütze her?« fragte Stradlater. Er meinte meine Jagdmütze; so etwas hatte er
    noch nie gesehen.
Weil ich ohnedies keine Luft mehr bekam, hörte ich auf. Ich nahm die Mütze ab und betrachtete
    sie zum ungefähr neunzigstenmal.
»Heute morgen in New York gekauft. Für einen Dollar. Gefällt sie dir?«
Stradlater nickte. »Toll«, sagte er. Er wollte mir aber nur schmeicheln, denn gleich darauf
    sagte er: »Hör, schreibst du den Aufsatz für mich? Ich muß es wissen.«
»Wenn ich Zeit habe, tu ich's. Wenn nicht, tu ich's nicht.«
Ich setzte mich wieder auf das Waschbassin. »Mit wem gehst du aus?« fragte ich.
    »Fitzgerald?«
»Herr im Himmel, nein! Mit der bin ich fertig.«
»Wirklich? Gib sie mir. Im Ernst. Sie ist mein Typ.«
»Nimm sie nur... Sie ist zu alt für dich.«
Plötzlich - aus keinem anderen Grund, als weil ich dazu aufgelegt war, mich zu balgen - sprang
    ich vom Waschbassin herunter und stürzte mich wie ein Panther auf Stradlater. Ich wollte den
    Halb-Nelson anwenden, das ist ein Ringergriff, falls das jemand wissen will, wobei man den
    Gegner um den Hals packt und würgt, wenn man will, bis er erstickt.
»Hör auf, Holden!« sagte Stradlater. Er hatte keine Lust zum Balgen. Er war beim Rasieren. »Was
    hast du vor - daß ich mir den Kopf abschneide?«
Ich ließ aber nicht los. Ich hatte ihn gut im Halb-Nelson.
»Befreie dich aus meinem tödlichen Griff«, sagte ich.
»Jesus Christus.« Er legte seinen Rasierapparat hin, warf plötzlich die Arme in die Höhe und
    machte sich los. Er war sehr stark, und ich habe überhaupt keine Kraft. »Jetzt hör mit dem
    Blödsinn auf«, sagte er. Er fing wieder von vorne an mit dem Rasieren. Er rasierte sich immer
    zweimal, um fabelhaft auszusehen. Und das mit seiner schauerlichen alten Klinge.
»Wer ist es denn, wenn es nicht Fitzgerald ist?« fragte ich.
Dabei setzte ich mich wieder hin. »Dieses Phyllis-Smith-Baby?«
»Nein. Die sollte es sein, aber es wurde nichts daraus. Ich habe jetzt die, die mit dem Mädchen
    von Bud Thaw im gleichen Zimmer wohnt... He, fast hätte ich's vergessen. Sie kennt dich.«
»Wer?«
»Eben die.«
»So? Wie heißt sie?« Das interessierte mich.
»Wart einmal... Ach ja. Jane Gallagher.«
Mich traf fast der Schlag, als ich das hörte.
»Jane Gallagher«, sagte ich. Ich stand sogar auf. Ich war wirklich erschlagen. »Die kenne ich
    tatsächlich. Im vorletzten Sommer wohnte sie sozusagen direkt neben mir. Sie hatte so einen
    großen verdammten Dobermannpinscher. So habe ich sie kennengelernt. Ihr Hund kam immer in
    unsern -«
»Du stehst mir im Licht, Holden«, sagte Stradlater. »Ist das unbedingt

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