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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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nötig?«
Junge, ich war vielleicht aufgeregt, wirklich.
»Wo ist sie? Ich muß ihr doch guten Tag sagen. Wo ist sie? Im Anbau?«
»Ja.«
»Wieso hat sie von mir gesprochen? Ist sie jetzt in Shipley oder wo? Sie sagte, vielleicht käme
    sie dorthin. Wieso hat sie von mir gesprochen?« Ich war wirklich ganz aufgeregt.
»Das weiß ich doch nicht, um Himmels willen. Steh auf, bitte. Du sitzt auf meinem Handtuch.«
    Ich saß tatsächlich auf seinem doofen Handtuch.
»Jane Gallagher«, sagte ich. Ich wurde gar nicht damit fertig. »Herr im Himmel.«
Stradlater rieb sich Vitalis in die Haare. Aus meiner Flasche.
»Sie ist Tänzerin«, sagte ich. »Ballett und so. Sie hat damals jeden Tag zwei Stunden geübt,
    auch bei der größten Hitze. Sie hatte Angst, daß sie häßliche Beine davon bekommen könnte -
    dicke Beine und so. Ich habe immer mit ihr Dame gespielt.«
»Was hast du mit ihr gespielt?«
»Dame.«
»Dame, um Himmels willen!«
»Ja. Sie wollte nie mit ihren Damen ziehen. Wenn sie eine Dame hatte, wollte sie nicht damit
    ziehen. Sie ließ sie einfach am Rand stehen, bis alle dort aufgereiht waren. Gezogen hat sie
    nie damit. Es gefiel ihr einfach, wenn alle in einer Reihe standen.«
Stradlater antwortete nichts. Die meisten Leute interessieren sich nicht für solches
    Zeug.
»Ihre Mutter war im gleichen Golfclub wie wir«, sagte ich. »Manchmal ging ich als Caddie hin,
    um Geld zu verdienen. Ihrer Mutter habe ich oft die Schläger nachgetragen.«
Stradlater hörte kaum hin. Er frisierte sein prachtvolles Lockenhaupt.
»Ich sollte ihr wenigstens guten Tag sagen«, sagte ich.
»Warum gehst du nicht zu ihr?«
»Ich geh sofort.«
Er zog sich wieder einen neuen Scheitel. Er brauchte immer eine gute Stunde, bis er gekämmt
    war.
»Ihre Eltern waren geschieden. Ihre Mutter hat dann irgendeinen Säufer geheiratet«, sagte ich.
    »Brandmager, mit haarigen Beinen. Ich erinnere mich an ihn. Er hatte immer Shorts an. Jane
    sagte, er sei irgendein Schriftsteller oder etwas Ähnliches, aber ich habe immer nur gesehen,
    daß er gesoffen, am Radio gesessen und jedes, aber auch jedes gottverdammte Krimiprogramm
    gehört hat. Und mit Vorliebe lief er nackt um das verdammte Haus herum. Obwohl Jane dort war
    und so.«
»So?« fragte Stradlater. Das interessierte ihn plötzlich. Ein Alkoholiker, der nackt herumlief,
    wenn Jane dort war. Solche Sachen hörte er gern. Er war ziemlich scharf auf Sex.
»Sie hat eine elende Kindheit gehabt. Im Ernst.«
Aber das interessierte Stradlater schon nicht mehr. Nur richtiger Sex interessierte ihn.
»Jane Gallagher, großer Gott.« Ich kam nicht davon los. »Ich sollte wirklich hinuntergehen und
    ihr guten Tag sagen.«
»Warum zum Teufel tust du es denn nicht, anstatt immer davon zu reden?«
Ich ging zum Fenster, aber man konnte nicht hinaussehen, weil es vom Dampf so beschlagen
    war.
»Ich bin nicht in der Stimmung«, sagte ich. Das war wirklich so. Für so etwas muß man in der
    richtigen Stimmung sein. »Ich habe gemeint, sie wäre in Shipley. Ich hätte geschworen, daß sie
    dorthin gegangen ist.« Ich ging hin und her. Etwas anderes hatte ich nicht zu tun. »Hat dir das
    Spiel Spaß gemacht?« fragte ich.
»Ja, ich glaube. Ich weiß nicht.«
»Hat sie dir erzählt, daß wir immer Dame gespielt haben oder so?«
»Weiß ich nicht mehr, Herr im Himmel, ich hab sie ja gerade erst kennengelernt«, sagte
    Stradlater.
Er war jetzt endlich mit seinem prachtvollen Lockenhaupt fertig und sammelte seine dreckigen
    Toilettensachen ein.
»Sag mal, könntest du sie von mir grüßen?«
»O. K.«, sagte er, aber ich war ziemlich sicher, daß er es wohl nicht tun würde. Solche Typen
    richten nie Grüße aus. Er ging ins Zimmer zurück, aber ich lungerte noch eine Zeitlang im
    Waschraum umher und dachte an Jane. Dann ging auch ich ins Zimmer.
Stradlater band sich vor dem Spiegel die Krawatte. Er verbrachte ungefähr die Hälfte seines
    Lebens vor dem Spiegel.
Ich setzte mich in meinen Sessel und sah ihm zu.
»Du«, sagte ich, »erzähl ihr nicht, daß ich geflogen bin, bitte.«
»O. K.«
Das war ein sympathischer Zug an ihm. Man brauchte ihm nicht jede verdammte Kleinigkeit zu
    erklären, wie es bei Ackley nötig war. Vor allem wohl deshalb, weil er sich nie besonders
    interessierte. Das war der Grund. Ackley war ganz anders.
Ackley war ein Schnüffler.
Stradlater zog meine karierte Jacke an.
»Gib um Himmels willen acht, daß du sie mir nicht ausweitest«, sagte ich. »Ich habe sie erst
    ungefähr zweimal

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