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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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wollten mich psychoanalysieren lassen, weil ich in der Garage
    alle Fenster einschlug. In der Nacht, in der er starb, schlief ich in der Garage und schlug mit
    der Faust alle verdammten Fenster ein, einfach so. Ich wollte auch noch die Fenster vom Auto
    einschlagen, aber ich hatte mir schon die Hand gebrochen und so und konnte nicht mehr.
Natürlich war das blödsinnig, aber ich wußte eigentlich kaum, was ich tat, und man müßte eben
    Allie gekannt haben, um es zu verstehen. Meine Hand tut mir immer noch von Zeit zu Zeit weh,
    wenn es regnet oder so, und ich kann keine richtige Faust mehr machen - keine feste, meine ich
    -, aber sonst ist es mir gleichgültig. Ich werde ja ohnedies kein verdammter Chirurg oder
    Geiger oder so was.
Über diesen Baseball-Handschuh also schrieb ich Stradlaters Aufsatz. Zufällig hatte ich den
    Handschuh in meinem Koffer.
Ich holte ihn und schrieb die Gedichte ab, die daraufstanden. Ich brauchte nur Allies Namen zu
    ändern, damit niemand merken konnte, daß es mein Bruder war und nicht der von Stradlater. Ich
    selber war nicht gerade toll vor Begeisterung, aber es fiel mir nichts anderes ein, was ich
    hätte schildern können. Eigentlich schrieb ich ganz gern darüber. Ich brauchte ungefähr eine
    Stunde dazu, weil Stradlaters miserable Schreibmaschine fortwährend klemmte. Ich konnte nicht
    auf meiner eigenen schreiben, weil ich sie einem andern geliehen hatte.
Ungefähr um halb elf war ich fertig. Ich war aber noch nicht müde. Deshalb schaute ich eine
    Weile zum Fenster hinaus. Es schneite nicht mehr, aber ab und zu hörte man irgendein Auto, das
    nicht anspringen wollte. Außerdem hörte man durch die verdammten Vorhänge vom Duschraum, wie
    Ackley schnarchte.
Er hatte Stockschnupfen und konnte nicht recht atmen, wenn er schlief. Dieser Ackley hatte so
    ziemlich alles, was ein Mensch nur haben kann.
Stirnhöhlengeschichten, Pickel, schlechte Zähne, Mundgeruch, abscheuliche Fingernägel. Der arme
    Hund konnte einem leid tun.

6. Kapitel
    Manche Sachen behält man nicht leicht im Gedächtnis. Ich denke dabei an Stradlaters Rückkehr
    von seinem Ausflug mit Jane. Ich meine, ich kann mich nicht genau erinnern, was ich tat, als
    ich seine verfluchten Schritte im Gang hörte. Wahrscheinlich schaute ich immer noch zum Fenster
    hinaus, aber ich kann mich wirklich nicht genau erinnern, weil ich mir so fürchterliche Sorgen
    machte. Wenn ich mir wirklich über etwas Sorgen mache, ist das nicht nur oberflächlich. Ich
    bekomme sogar Bauchweh und müßte eigentlich verschwinden, wenn ich mir Sorgen mache. Aber ich
    gehe dann doch nicht. Ich mache mir zu sehr Sorgen, um hinauszugehen. Ich will meine Sorgen
    nicht damit unterbrechen. Wer Stradlater kennt, weiß schon, warum man sich Sorgen machen muß.
    Wir waren schon ein paarmal zu viert ausgegangen, Stradlater und ich und zwei Mädchen, ich weiß
    also, wovon ich rede. Er war gewissenlos. Wirklich.
Im Gang war Linoleum. Man hörte seine verdammten Schritte von weitem näher kommen. Ich weiß
    nicht einmal mehr, wo ich saß, als er hereinkam - ob am Fenster oder in meinem Sessel oder in
    seinem. Ich weiß es wirklich nicht mehr.
Zuerst fluchte er darüber, wie kalt es draußen sei. Dann sagte er: »Wo zum Teufel sind denn
    alle? Es ist wie in einem gottverdammten Leichenhaus.« Ich gab keine Antwort. Wenn er so blöde
    war und nicht einmal wußte, daß es Samstagabend war und alle ausgegangen waren oder schliefen
    oder übers Wochenende heimgefahren waren, dann brauchte ich mir kein Bein auszureißen, um es
    ihm zu erklären. Er fing an sich auszuziehen. Kein Wort über Jane. Keine einzige verdammte
    Silbe. Ich schwieg auch. Ich sah ihm nur zu. Er bedankte sich wenigstens dafür, daß ich ihm
    meine karierte Jacke geliehen hatte. Er hängte sie auf einen Bügel und dann in den
    Schrank.
Als er die Krawatte abnahm, fragte er, ob ich seinen verdammten Aufsatz geschrieben hätte. Ich
    sagte, der läge dort auf seinem verdammten Bett. Er ging hin und fing an zu lesen, während er
    sein Hemd aufknöpfte. Er stand da und las und strich sich dabei auf seiner nackten Brust und
    dem Bauch herum, mit einem furchtbar blöden Gesichtsausdruck. Er rieb sich immer den Bauch oder
    die Brust.
Er war wahnsinnig in sich verliebt.
Plötzlich sagte er: »Herr im Himmel, Holden. Das ist ja über einen verdammten
    Baseball-Handschuh.«
»Und?« sagte ich, kalt wie ein Eisblock.
»Was meinst du mit und ? Ich habe dir doch gesagt, daß es über ein verfluchtes

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