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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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Zweierreihen. Meistens ging ein Mädchen namens Gertrude Levine neben mir. Sie
    wollte mich immer an der Hand halten, und ihre Hand war immer klebrig und feucht. Der Boden war
    aus Steinplatten, und wenn man Murmeln in der Hand hatte und sie fallen ließ, sprangen sie wie
    toll herum und machten einen Höllenlärm; daraufhin mußten wir alle stehenbleiben, und die
    Lehrerin kam her und wollte wissen, was los war. Diese Miss Aigletinger wurde aber nie
    bösartig.
Dann kam man an dem langen, langen Kriegskanu vorbei - ungefähr so lang wie drei verdammte
    Cadillacs zusammen -, in dem zwanzig Indianer waren. Einige ruderten, aber andere standen nur
    da und schauten herum, und alle hatten Kriegsbemalung auf den Gesichtern. Hinten im Kanu saß
    ein unheimlicher Bursche mit einer Maske. Das war der Zauberdoktor. Es grauste mir vor ihm,
    aber ich hatte ihn trotzdem gern. Wenn man im Vorbeigehen ein Ruder oder sonst etwas anrührte,
    sagte einer der Aufseher: »Nichts anrühren, Kinder«, aber immer im freundlichen Ton, nicht wie
    ein gottverfluchter Polizist. Dann kam man zu einem großen Glaskasten, in dem Indianer saßen
    und Hölzer aneinanderrieben, um Feuer zu machen, und eine Squaw wob eine Decke. Die Squaw, die
    die Decke wob, beugte sich nach vorn, und man konnte ihre nackte Brust sehen und so. Wir alle
    guckten immer ganz genau hin, sogar die Mädchen, denn sie waren auch noch klein und hatten
    nicht mehr Brust als wir. Ganz hinten in diesem Saal, nah bei der Tür zum Auditorium, kam man
    schließlich an diesem Eskimo vorbei. Er hockte auf einem zugefrorenen See über einem Eisloch
    und fischte. Neben ihm lagen zwei Fische, die er schon gefangen hatte. Das ganze Museum war
    voll von Glaskästen. Im oberen Stockwerk waren noch viel mehr, mit trinkenden Rehen an
    Wasserstellen und Zugvögeln, die nach Süden flogen. Die vordersten Vögel waren ausgestopft und
    an Drähten aufgehängt, die hintersten waren nur an die Wand gemalt, aber alle sahen so aus, als
    ob sie wirklich nach Süden flögen. Und wenn man den Kopf nach unten hielt und sie sozusagen
    verkehrt herum anschaute, schienen sie noch viel eiliger nach Süden zu fliegen. Das schönste in
    diesem Museum aber war, daß alles immer genauso stehen blieb. Nichts bewegte sich. Man hätte
    hunderttausendmal hingehen können, und der Eskimo hätte immer gerade die beiden Fische gefangen
    gehabt, die Vögel wären immer noch auf ihrem Flug nach Süden gewesen, die Rehe hätten noch aus
    dem Wasserloch getrunken, mit ihrem hübschen Geweih und den hübschen mageren Beinen, und die
    Squaw mit der nackten Brust hätte immer noch an der gleichen Decke gewoben. Nichts wäre anders
    gewesen. Nur man selber wurde anders. Nicht daß man plötzlich viel älter war oder so. Das meine
    ich eigentlich nicht. Man war einfach nur anders.
Man hatte diesmal einen Mantel an. Oder das Kind, das beim letztenmal neben einem hergegangen
    war, hatte jetzt Scharlach, so daß ein anderes neben einem ging. Oder eine Stellvertreterin von
    Miss Aigletinger führte die Klassen ins Museum. Oder man hatte gehört, wie sich die Eltern im
    Badezimmer entsetzlich stritten. Oder man hatte auf der Straße gerade eine Pfütze mit Ölringen
    in allen Regenbogenfarben gesehen. Man war einfach irgendwie anders - ich kann nicht erklären,
    was ich damit meine.
Und wenn ich es könnte, hätte ich wahrscheinlich keine Lust dazu.
Im Gehen zog ich meine Jagdmütze aus der Tasche und setzte sie auf. Ich war sicher, daß ich
    keine Bekannten treffen würde, und die Luft war so feucht. Ich ging und ging und dachte an
    Phoebe, die an Samstagen genau wie früher ich selber ins Museum geführt wurde. Ich dachte
    daran, wie sie die gleichen Glaskästen sah, die ich gesehen hatte, und wie sie sich von Besuch
    zu Besuch veränderte.
Der Gedanke deprimierte mich zwar nicht, aber er machte mich auch nicht übermäßig heiter.
Manche Sachen sollten so bleiben, wie sie sind. Man sollte sie in einen großen Glaskasten
    stecken und so lassen können.
Natürlich ist das unmöglich, das weiß ich, aber ich finde es trotzdem schade.
Ich blieb an einem Spielplatz stehen und schaute zwei kleinen Kindern auf einer Wippe zu. Eines
    war ziemlich dick. Ich legte deshalb meine Hand auf das Balkenende, wo das magere Kind saß, um
    das Gewicht etwas auszugleichen, aber da meine Anwesenheit sie offenbar störte, ließ ich sie
    allein weiterspielen.
Dann passierte etwas Sonderbares. Als ich zum Museum kam, hätte ich plötzlich nicht für

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