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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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eine
    Million Dollar hineingehen wollen. Es lockte mich einfach nicht - und dabei war ich durch den
    ganzen verfluchten Park gegangen und hatte mich darauf gefreut. Wenn Phoebe dort gewesen wäre,
    hätte ich es wohl getan, aber sie war ja nicht dort. Ich stieg also nur vor dem Museum in ein
    Taxi und fuhr zum Biltmore. Auch dazu hatte ich zwar keine große Lust. Aber ich hatte mich ja
    mit dieser verdammten Verabredung festgelegt.

16. Kapitel
    Da ich sehr früh dort ankam, setzte ich mich auf ein Ledersofa in der Eingangshalle und
    betrachtete mir die Mädchen. Viele Schulen hatten schon Ferien, ungefähr eine Million Mädchen
    saßen und standen herum und warteten auf ihre Kavaliere.
Mädchen mit übereinandergeschlagenen Beinen, Mädchen mit nicht übereinandergeschlagenen Beinen,
    Mädchen mit abscheulichen Beinen, Mädchen mit fabelhaften Beinen.
Manche machten einen sehr sympathischen Eindruck, und manche sahen so aus, als ob sie gemein
    wären, wenn man sie näher kennenlernte. Es war wirklich ein unterhaltender Anblick.
Andererseits war es auch deprimierend, weil man immer darüber nachdenken mußte, was aus ihnen
    werden würde. Wenn sie aus der Schule und aus dem College kämen, meine ich. Die meisten
    heiraten wohl irgendwelche blöden Männer.
Esel, die immer davon reden, wie viele Liter Benzin ihr Auto braucht. Esel, die wütend und
    kindisch werden, wenn man sie beim Golf schlägt oder auch nur bei irgendeinem so blöden Spiel
    wie Pingpong. Gemeine Esel. Esel, die nie ein Buch lesen.
Tödlich langweilige Esel. - Aber in diesem Punkt muß ich vorsichtig sein. Ich meine, daß ich
    manche Menschen langweilig nenne. Ich verstehe langweilige Leute eben nicht. Im Ernst. In
    Elkton Hills wohnte ich zwei Monate lang mit einem Harris Macklin im gleichen Zimmer. Er war
    sehr intelligent, aber einer der schrecklichsten Langweiler, die man sich vorstellen kann. Er
    hatte eine knarrende Stimme und redete sozusagen pausenlos. Er redete pausenlos, und noch
    schlimmer war, daß er nie etwas erzählte, was man hören wollte. Aber etwas konnte er. Dieser
    blöde Hund konnte besser pfeifen als irgend jemand, den ich je gehört habe. Wenn er sein Bett
    machte oder seine Sachen in den Schrank hängte - er hatte immer etwas im Schrank aufzuhängen,
    ich wurde fast wahnsinnig davon -, pfiff er dabei, falls er nicht mit seiner knarrenden Stimme
    redete. Er konnte sogar klassische Musik pfeifen, aber meistens pfiff er nur Jazz. Die
    verrücktesten Jazzmelodien pfiff er so spielend und natürlich - während er dabei seine Sachen
    in den Schrank hängte -, daß man ganz erschlagen war. Ich sagte ihm selbstverständlich nie, daß
    ich sein Pfeifen fabelhaft fände. Man kann nicht einfach so zu jemand sagen: »Du pfeifst
    fabelhaft.« Aber ich blieb zwei ganze Monate mit ihm zusammen - nur weil er so pfeifen konnte,
    obwohl er mich so langweilte, daß ich fast wahnsinnig wurde.
Ich kann also die langweiligen Leute nicht beurteilen. Vielleicht sollte es einem gar nicht so
    leid tun, wenn ein sympathisches Mädchen so einen heiratet. Die meisten tun keinem Mensche n
    etwas zuleide, und vielleicht können alle im geheimen fabelhaft pfeifen oder sonst etwas. Wer
    zum Teufel kann das wissen? Ich nicht.
Endlich sah ich Sally die Treppe heraufkommen und ging ihr entgegen. Sie sah toll aus, das muß
    man sagen. Sie hatte einen schwarzen Mantel und eine Art schwarzes Beret an. Hüte trug sie fast
    nie, aber dieses Beret stand ihr gut. Komischerweise hatte ich in dem Augenblick, als ich sie
    sah, Lust, sie zu heiraten. Ich bin nicht bei Trost. Ich hatte sie ja nicht einmal gern, und
    trotzdem meinte ich plötzlich, ich sei in sie verliebt und wolle sie heiraten. Gott sei's
    geklagt, ich bin verrückt. Ich gebe es zu.
»Holden!« sagte sie. »Wie wunderbar, dich wiederzusehen! Es ist Ewigkeiten her.« Sie redete
    immer so laut, daß es peinlich war, wenn man sie irgendwo traf. Sie konnte sich das erlauben,
    weil sie so verflucht gut aussah, aber ich bekam jedesmal Krämpfe davon.
»Toll, dich zu sehen«, sagte ich. Ich meinte es sogar ehrlich. »Wie geht's dir denn?«
»Hundertprozentig glänzend. Komm ich zu spät?«
Ich sagte, sie käme nicht zu spät, aber tatsächlich hatte sie ungefähr zehn Minuten Verspätung.
    Mir war es allerdings absolut gleichgültig. Was immer man auf Karikaturen in der Saturday
    Evening Post und so sieht - Männer an Straßenecken, die fürchterlich verärgert sind, weil ihre
    Angebetete sich verspätet -, das

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