Der Faenger im Roggen - V3
eine
Million Dollar hineingehen wollen. Es lockte mich einfach nicht - und dabei war ich durch den
ganzen verfluchten Park gegangen und hatte mich darauf gefreut. Wenn Phoebe dort gewesen wäre,
hätte ich es wohl getan, aber sie war ja nicht dort. Ich stieg also nur vor dem Museum in ein
Taxi und fuhr zum Biltmore. Auch dazu hatte ich zwar keine große Lust. Aber ich hatte mich ja
mit dieser verdammten Verabredung festgelegt.
16. Kapitel
Da ich sehr früh dort ankam, setzte ich mich auf ein Ledersofa in der Eingangshalle und
betrachtete mir die Mädchen. Viele Schulen hatten schon Ferien, ungefähr eine Million Mädchen
saßen und standen herum und warteten auf ihre Kavaliere.
Mädchen mit übereinandergeschlagenen Beinen, Mädchen mit nicht übereinandergeschlagenen Beinen,
Mädchen mit abscheulichen Beinen, Mädchen mit fabelhaften Beinen.
Manche machten einen sehr sympathischen Eindruck, und manche sahen so aus, als ob sie gemein
wären, wenn man sie näher kennenlernte. Es war wirklich ein unterhaltender Anblick.
Andererseits war es auch deprimierend, weil man immer darüber nachdenken mußte, was aus ihnen
werden würde. Wenn sie aus der Schule und aus dem College kämen, meine ich. Die meisten
heiraten wohl irgendwelche blöden Männer.
Esel, die immer davon reden, wie viele Liter Benzin ihr Auto braucht. Esel, die wütend und
kindisch werden, wenn man sie beim Golf schlägt oder auch nur bei irgendeinem so blöden Spiel
wie Pingpong. Gemeine Esel. Esel, die nie ein Buch lesen.
Tödlich langweilige Esel. - Aber in diesem Punkt muß ich vorsichtig sein. Ich meine, daß ich
manche Menschen langweilig nenne. Ich verstehe langweilige Leute eben nicht. Im Ernst. In
Elkton Hills wohnte ich zwei Monate lang mit einem Harris Macklin im gleichen Zimmer. Er war
sehr intelligent, aber einer der schrecklichsten Langweiler, die man sich vorstellen kann. Er
hatte eine knarrende Stimme und redete sozusagen pausenlos. Er redete pausenlos, und noch
schlimmer war, daß er nie etwas erzählte, was man hören wollte. Aber etwas konnte er. Dieser
blöde Hund konnte besser pfeifen als irgend jemand, den ich je gehört habe. Wenn er sein Bett
machte oder seine Sachen in den Schrank hängte - er hatte immer etwas im Schrank aufzuhängen,
ich wurde fast wahnsinnig davon -, pfiff er dabei, falls er nicht mit seiner knarrenden Stimme
redete. Er konnte sogar klassische Musik pfeifen, aber meistens pfiff er nur Jazz. Die
verrücktesten Jazzmelodien pfiff er so spielend und natürlich - während er dabei seine Sachen
in den Schrank hängte -, daß man ganz erschlagen war. Ich sagte ihm selbstverständlich nie, daß
ich sein Pfeifen fabelhaft fände. Man kann nicht einfach so zu jemand sagen: »Du pfeifst
fabelhaft.« Aber ich blieb zwei ganze Monate mit ihm zusammen - nur weil er so pfeifen konnte,
obwohl er mich so langweilte, daß ich fast wahnsinnig wurde.
Ich kann also die langweiligen Leute nicht beurteilen. Vielleicht sollte es einem gar nicht so
leid tun, wenn ein sympathisches Mädchen so einen heiratet. Die meisten tun keinem Mensche n
etwas zuleide, und vielleicht können alle im geheimen fabelhaft pfeifen oder sonst etwas. Wer
zum Teufel kann das wissen? Ich nicht.
Endlich sah ich Sally die Treppe heraufkommen und ging ihr entgegen. Sie sah toll aus, das muß
man sagen. Sie hatte einen schwarzen Mantel und eine Art schwarzes Beret an. Hüte trug sie fast
nie, aber dieses Beret stand ihr gut. Komischerweise hatte ich in dem Augenblick, als ich sie
sah, Lust, sie zu heiraten. Ich bin nicht bei Trost. Ich hatte sie ja nicht einmal gern, und
trotzdem meinte ich plötzlich, ich sei in sie verliebt und wolle sie heiraten. Gott sei's
geklagt, ich bin verrückt. Ich gebe es zu.
»Holden!« sagte sie. »Wie wunderbar, dich wiederzusehen! Es ist Ewigkeiten her.« Sie redete
immer so laut, daß es peinlich war, wenn man sie irgendwo traf. Sie konnte sich das erlauben,
weil sie so verflucht gut aussah, aber ich bekam jedesmal Krämpfe davon.
»Toll, dich zu sehen«, sagte ich. Ich meinte es sogar ehrlich. »Wie geht's dir denn?«
»Hundertprozentig glänzend. Komm ich zu spät?«
Ich sagte, sie käme nicht zu spät, aber tatsächlich hatte sie ungefähr zehn Minuten Verspätung.
Mir war es allerdings absolut gleichgültig. Was immer man auf Karikaturen in der Saturday
Evening Post und so sieht - Männer an Straßenecken, die fürchterlich verärgert sind, weil ihre
Angebetete sich verspätet -, das
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