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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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ist alles Mist. Wenn ein Mädchen toll aussieht, wenn sie
    kommt, wer schert sich dann darum, ob sie zu spät kommt? Kein Mensch. »Wir müssen uns eilen«,
    sagte ich. »Es fängt um zwanzig vor drei an.« Wir gingen wieder die Treppe hinunter zu den
    Taxis.
»Wohin gehen wir?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Zu den Lunts. Ich habe nur dafür Karten bekommen können.«
»Die Lunts! Das ist ja wunderbar!«
Ich hatte genau gewußt, daß sie außer sich geraten würde, wenn sie das hörte.
Auf der Fahrt ins Theater küßten wir uns ein bißchen. Zuerst wollte sie nicht, wegen dem
    Lippenstift und so, aber ich war wahnsinnig drauf aus, und ihr blieb keine andere Wahl.
Zweimal, als das verdammte Taxi plötzlich bremste, wäre ich beinah vom Sitz gefallen. Diese
    Chauffeure geben nie acht, wo sie hinfahren. Dann - daran kann man sehen, wie verrückt ich bin
    - sagte ich ihr nach einer großen Umarmung, daß ich sie liebte und alles. Natürlich war das
    eine Lüge, aber als ich es sagte, meinte ich es eben wirklich. Ich bin vollkommen verrückt. Im
    Ernst.
»Liebling, ich lieb dich auch«, antwortete sie. Dann sagte sie im gleichen Atemzug: »Versprich
    mir, daß du dir die Haare länger wachsen läßt. Diesen kurzen Schnitt hat man nicht mehr. Und
    deine Haare sind so hübsch.«
Hübsch, sagte sie, bei meinem Arsch!
Das Stück war nicht so übel, wie viele andere, die ich gesehen hatte. Immerhin war es auf der
    Schundseite. Es schilderte fünfhunderttausend Jahre aus dem Leben eines Ehepaares. Es fängt an,
    als sie noch jung sind und die Eltern von ihr nicht wollen, daß sie ihn heiratet, aber sie
    heiratet ihn doch. Dann werden sie immer älter. Der Mann muß in den Krieg, und seine Frau hat
    einen Bruder, der Alkoholiker ist. Ich brachte kein brennendes Interesse dafür auf. Es war mir
    ziemlich gleichgültig, wenn irgendein Familienmitglied starb oder sonst etwas mit ihm
    passierte. Es waren eben nur Schauspieler. Das Ehepaar war ganz sympathisch - sehr geistreich
    und so -, aber ich konnte wirklich nicht teilnehmen. Erstens tranken sie durch das ganze Stück
    Tee oder sonst eine verdammte Flüssigkeit. Jedesmal, wenn man sie wiedersah, servierte ihnen
    ein Butler Tee, oder die Frau schenkte jemandem Tee ein. Und fortwährend kam jemand herein oder
    ging hinaus - man wurde ganz schwindlig von all den Leuten, die sich setzten oder aufstanden.
    Alfred Lunt und Lynn Fontanne stellten das Ehepaar dar. Sie spielten gut, aber ich fand sie
    nicht sympathisch. Immerhin muß ich sagen, daß sie anders waren als die übrigen. Sie benahmen
    sich zwar nicht wie natürliche Menschen, aber auch nicht wie Schauspieler. Es ist schwer zu
    beschreiben. Sie benahmen sich eher so, als ob sie wüßten, daß sie Berühmtheiten waren. Sie
    spielten gut, aber eben zu gut. Wenn ein Ehepartner seine Rede gehalten hatte, antwortete der
    andere blitzschnell etwas. Das sollte den Eindruck von Leuten erwecken, die wirklich zusammen
    sprechen, sich ins Wort fallen und so weiter. Aber der Fehler war eben, daß es zu beabsichtigt
    wirkte. Ihre Art erinnerte mich ein bißchen an die Art, wie Ernie draußen im Village Piano
    spielte. Wenn man etwas zu vollkommen macht, muß man sehr achtgeben, daß keine Aufschneiderei
    daraus wird. Denn dann ist es schon nicht mehr so vollkommen. Aber wie gesagt, die Lunts waren
    die einzigen im ganzen Stück, die wenigstens intelligent wirkten. Das muß ich zugeben.
Nach dem ersten Akt gingen wir mit allen andern hinaus, um eine Zigarette zu rauchen. Das war
    eine herrliche Versammlung.
Lauter affektierte Esel, die wie besessen rauchten und laut über das Theaterstück redeten,
    damit jeder hören und bewundern könnte, wie geistreich sie redeten. Neben uns stand irgendein
    blöder Filmschauspieler mit seiner Zigarette. Ich kann mir seinen Namen nicht merken. Er spielt
    in Kriegsfilmen immer einen Burschen, der Angst bekommt, bevor es überhaupt losgeht. Seine
    Begleiterin war eine kolossale Blondine, und beide versuchten sich möglichst blasiert
    aufzuführen, als ob sie gar nicht wüßten, daß alle Leute zu ihnen hinschauten.
Hinreißend bescheiden.
Das machte mir großen Spaß. Sally schwärmte zwar über die Lunts, sagte aber sonst nicht viel,
    weil sie vollauf mit Herumschauen und Charmant-Sein beschäftigt war. Dann sah sie plötzlich auf
    der andern Seite des Foyers einen Jüngling, den sie kannte. Einen in dem üblichen dunkelgrauen
    Flanellanzug mit karierter Weste. Typisch Ivy League. Überwältigend. Er

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