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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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schlechtesten
    Schlittschuh. Tatsächlich am schlechtesten. Dabei konnten viele andere auch nichts. Sallys
    Knöchel knickten dermaßen um, daß sie praktisch das Eis berührten. Es sah nicht nur lächerlich
    aus, sondern es tat ihr wohl auch höllisch weh. Meine taten mir jedenfalls weh. Sie brachten
    mich fast um. Wir müssen einen herrlichen Anblick geboten haben. Und das schlimmste war, daß
    mehrere hundert Gaffer herumstanden, die nichts Besseres zu tun hatten, als zuzuschauen, wie
    die andern über ihre eigenen Beine fielen.
»Sollen wir drinnen einen Tisch suchen und etwas trinken?« fragte ich schließlich.
»Das ist die wunderbarste Idee von allen deinen Vorschlägen heute«, sagte sie. Sie gab schon
    fast den Geist auf. Entsetzlich.
Sie tat mir wirklich leid.
Wir zogen also die verdammten Schlittschuhe aus und gingen in die Bar, wo man ohne Schuhe
    sitzen und die Eisläufer betrachten kann. Sobald wir einen Tisch hatten, streifte Sally die
    Handschuhe ab, und ich gab ihr eine Zigarette. Sie schien nicht besonders glücklich zu sein.
    Als der Kellner kam, bestellte ich eine Coca für sie - sie trank keinen Alkohol - und einen
    Whisky mit Soda für mich; dieser Hund wollte mir aber keinen bringen, so daß ich ebenfalls eine
    Coca nehmen mußte. Dann fing ich an, Streichhölzer anzuzünden. Das tue ich oft, wenn ich dazu
    aufgelegt bin. Ich lasse sie brennen, bis ich sie nicht mehr halten kann, und werfe sie dann in
    den Aschenbecher. Eine nervöse Gewohnheit.
Plötzlich sagte Sally aus heiterem Himmel: »Du, ich muß wissen, ob du zu mir kommen willst, um
    mit mir den Baum zu schmücken? Ich muß das jetzt wissen.« Sie war immer noch gereizt, weil ihr
    die Knöchel vom Schlittschuhlaufen weh taten.
»Ich hab dir ja schon geschrieben, daß ich käme. Du hast mich mindestens schon zwanzigmal
    gefragt. Natürlich komme ich.«
»Ich meine nur, daß ich es jetzt wissen muß«, sagte sie. Ihre Augen schweiften in der
    verdammten Bar herum.
Ich hörte plötzlich mit den Streichhölzern auf und beugte mich näher zur ihr über den Tisch.
    Ich hatte ein paar wichtige Themen vor. »Du, Sally«, sagte ich.
»Was?« fragte sie. Dabei schaute sie zu einem Mädchen hinüber, das an einem andern Tisch
    saß.
»Hast du schon einmal alles satt gehabt?« fragte ich. »Ich meine, hast du schon einmal Angst
    gehabt, daß alles schlimmer wird, wenn du nicht etwas unternimmst? Hast du die Schule gern,
    meine ich?«
»Nein, sie langweilt mich gräßlich.«
»Aber ist sie dir wirklich verhaßt? Ich weiß natürlich, daß sie gräßlich langweilig ist, aber
    ich möchte wissen, ob sie dir richtig verhaßt ist.«
»Ach, eigentlich nicht verhaßt. Man muß schließlich doch immer-«
»Schön, aber mir ist sie wirklich verhaßt. Herr im Himmel, mir ist sie verhaßt«, sagte ich.
    »Aber nicht nur die Schule. Einfach alles. New York und das alles hasse ich auch - die Taxis
    und die Autobusse, wo der Fahrer einen immer anbrüllt, daß man hinten aussteigen soll. Und dann
    hasse ich es, wenn man affektierten Eseln vorgestellt wird, die die Lunts göttlich finden, und
    daß man im Lift fahren muß, wenn man nur mal rausgehen will, und bei Brooks immer diese Kerle,
    bei denen man Hosen anprobieren muß und daß die Leute immer -«
»Bitte, schrei nicht so«, sagte Sally. Das war unsinnig, denn ich hatte überhaupt nicht
    geschrien.
»Zum Beispiel Autos«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Die meisten Leute sind mit Autos nicht
    bei Trost. Sie nehmen es furchtbar tragisch, wenn der kleinste Kratzer dran ist, und reden die
    ganze Zeit davon, wie viele Liter Benzin es braucht, und wenn sie einen ganz neuen Wagen haben,
    denken sie schon wieder daran, ihn gegen einen noch neueren umzutauschen. Ich kann nicht einmal
    alte Autos ausstehen. Sie interessieren mich einfach nicht. Ich hätte lieber ein verdammtes
    Pferd. Ein Pferd ist doch wenigstens menschlich, Herr im Himmel. Mit einem Pferd kann man
    wenigstens -«
»Ich weiß nicht, von was du eigentlich reden willst«, sagte Sally. »Du springst von einem
    -«
»Soll ich dir etwas sagen? Du bist vielleicht der einzige Grund, warum ich jetzt in New York
    oder überhaupt irgendwo bin. Wenn du nicht da wärst, wäre ich wahrscheinlich irgendwo beim
    Kuckuck.
Im Urwald oder was weiß ich. Du bist praktisch der einzige Grund, warum ich noch hier
    bin.«
»Das ist lieb von dir«, sagte sie. Aber man merkte deutlich, daß sie mich von dem verdammten
    Thema abbringen wollte.
»Du solltest einmal in

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