Der Faenger im Roggen - V3
eine Jungenschule gehen«, sagte ich. »Versuch's nur einmal. Dort sind
lauter verlogene Heuchler, und man soll nur immer lernen, damit man sich später einen
verdammten Cadillac kaufen kann, und man muß immer so tun, als ob es einem wichtig wäre, daß
die Fußballmannschaft gewinnt, und man schwätzt den ganzen Tag nur über Mädchen und Alkohol und
sexuellen Mist, und alle kleben in dreckigen Cliquen zusammen. Die von der Basketballmannschaft
halten zusammen, die Katholischen halten zusammen, die gottverdammten Intellektuellen halten
zusammen, die Bridgespieler halten zusammen. Sogar die vom Buch-des-Monats-Klub halten
zusammen. Wenn man versucht, eine halbwegs intelligente -«
»Jetzt hör aber auf«, sagte Sally. »Viele haben von der Schule wirklich mehr als das.«
»Stimmt! Allerdings haben manche mehr davon! Aber das ist eben alles, was ich selber davon
habe. Verstehst du? Davon rede ich. Von diesem verfluchten Punkt rede ich. Ich habe überhaupt
von fast nichts etwas. Ich bin schon vollkommen runter.«
»Offenbar.«
Plötzlich kam mir eine Idee.
»Hör«, sagte ich, »ich habe eine Idee. Hättest du nicht Lust, von hier wegzukommen? Ich habe
schon einen Plan. Ich kenne einen in Greenwich Village, der uns ein paar Wochen sein Auto
leihen würde. Er war früher in der gleichen Schule wie ich und ist mir noch zehn Dollar
schuldig. Wir könnten morgen früh nach Massachusetts und Vermont und so weiter fahren. Dort ist
es phantastisch schön, wirklich.« Ich wurde immer aufgeregter, je länger ich daran dachte, und
schließlich griff ich über den Tisch und nahm ihre verdammte Hand. Ein solcher gottverfluchter
Idiot war ich. »Wirklich im Ernst«, sagte ich.
»Ich habe ungefähr hundertachtzig Dollar auf der Bank. Die kann ich holen, sobald die Bank am
Morgen offen ist, und dann könnte ich mir das Auto leihen. Im Ernst. Wir bleiben einfach auf
den Campingplätzen und so, bis uns das Geld ausgeht. Wenn wir dann keins mehr haben, kann ich
irgendwo eine Arbeit finden und wir könnten irgendwo an einem Fluß und so weiter leben, und
später könnten wir heiraten oder so. Im Winter würde ich für uns Holz fällen. Großer Gott, wir
hätten es fabelhaft schön! Was meinst du? Komm, sag etwas! Was meinst du? Willst du das mit mir
tun? Bitte!«
»Man kann doch so etwas nicht einfach tun«, sagte Sally. Sie schien tief gekränkt zu
sein.
»Warum nicht? Warum zum Teufel denn nicht?«
»Schrei mich nicht so an«, sagte sie. Reiner Mist, denn ich hatte sie überhaupt nicht
angeschrien.
»Warum soll man das nicht können? Warum nicht?«
»Weil man es einfach nicht kann. Erstens sind wir beide eigentlich noch Kinder. Und hast du dir
vielleicht überlegt, was du tun willst, falls du keine Arbeit findest, wenn du kein Geld mehr
hast? Wir würden einfach verhungern. Das Ganze ist so phantastisch, es ist überhaupt nicht
-«
»Gar nicht phantastisch. Ich bekäme schon Arbeit. Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu
machen. Was hast du denn dagegen. Willst du nicht mit mir fort? Sag's ehrlich, wenn du nicht
willst.«
»Es ist nicht deswegen. Gar nicht deswegen«, sagte Sally. Ich hatte schon eine Art Haß gegen
sie.
»Wir haben später noch lange Zeit für das alles. Ich meine, wenn du im College warst und so,
und wenn wir geheiratet hätten. Wir können dann noch tausend fabelhafte Reisen machen. Du bist
nur -«
»Nein, dann geht das alles nicht mehr. Dann wäre alles ganz anders«, sagte ich. Ich wurde
wieder wahnsinnig deprimiert.
»Was?« sagte sie. »Ich kann nicht verstehen, was du sagst. Zuerst schreist du mich an, und im
nächsten Augenblick murmelst-«
»Ich habe gesagt, es wird keine fabelhaften Reisen mehr geben, nachdem ich im College war und
so. Mach doch die Ohren auf. Es wäre nicht mehr das gleiche. Wir müßten dann mit unsern Koffern
im Lift hinunterfahren. Wir müßten uns von allen Leuten telefonisch verabschieden und ihnen von
jedem Hotel Postkarten schicken. Und ich würde in einem Büro arbeiten und einen Haufen Geld
verdienen und im Taxi oder mit dem Autobus ins Büro fahren und Zeitungen lesen und die ganze
Zeit Bridge spielen und ins Kino gehen und blöde Kurzfilme und neueste Moden und die
Wochenschau sehen. Die Wochenschau, heiliger Bimbam. Man sieht immer irgendein blödes
Pferderennen und so ein Weib, das über einem Schiff eine Flasche zerschlägt, und einen
Schimpansen, der in Hosen Rad fährt. Es wäre gar nicht mehr das gleiche wie jetzt. Du
Weitere Kostenlose Bücher