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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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weißt
    überhaupt nicht, was ich meine.«
»Vielleicht nicht! Aber vielleicht weißt du es selber auch nicht«, sagte Sally. Wir konnten uns
    gegenseitig schon nicht mehr ausstehen. Es war hoffnungslos, ein vernünftiges Gespräch führen
    zu wollen. Ich bereute wahnsinnig, daß ich damit angefangen hatte.
»Komm, wir wollen von hier weg«, sagte ich. »Von dir bekomme ich Bauchkrämpfe, falls du die
    Wahrheit hören willst.«
Junge , sie stieg fast zur Decke, als ich das sagte. Natürlich hätte ich es nicht sagen
    sollen, und wahrscheinlich würde ich sonst auch nichts Derartiges sagen, aber sie deprimierte
    mich fürchterlich.
Im allgemeinen bin ich mit Mädchen nie so grob. Junge , sie stieg bis an die Decke. Ich
    entschuldigte mich wie besessen, aber sie wollte keine Entschuldigungen hören. Sie heulte
    sogar.
Ich bekam ein bißchen Angst, weil ich dachte, sie könnte nach Hause laufen und ihrem Vater
    sagen, daß ich gesagt hätte, von ihr bekäme man Bauchkrämpfe. Ihr Vater war so ein großer
    schweigsamer Mensch und schwärmte ohnedies nicht für mich.
Er hatte einmal zu Sally gesagt, ich sei verdammt geräuschvoll.
»Ganz im Ernst, es tut mir leid«, sagte ich fortwährend.
»Es tut dir leid. Es tut dir leid. Wirklich sonderbar«, antwortete sie.
Sie weinte immer noch halb, und plötzlich tat es mir tatsächlich leid, daß ich das gesagt
    hatte. »Komm, ich bring dich heim. Im Ernst.«
»Ich kann allein heimfahren, danke. Wenn du meinst, ich ließe mich von dir heimbringen, bist du
    verrückt. So etwas hat in meinem ganzen Leben noch keiner zu mir gesagt.«
Die ganze Geschichte war eigentlich komisch, wenn man es sich näher überlegte, und plötzlich
    tat ich wieder etwas, das ich nicht hätte tun sollen. Ich lachte. Und ich habe immer ein sehr
    lautes, blödes Lachen. Wenn ich im Kino hinter mir selbst säße und mich lachen hörte, würde ich
    mir wahrscheinlich auf die Schulter klopfen und mich bitten, ruhig zu sein. Sally wurde
    daraufhin noch viel wütender.
Ich entschuldigte mich noch eine Weile und versuchte sie milder zu stimmen, aber sie wollte mir
    nicht verzeihen. Sie wiederholte nur, ich solle fortgehen und sie in Ruhe lassen.
Schließlich gab ich es auf.
Ich holte mir meine Schuhe und das übrige Zeug und ging ohne sie fort. Das war nicht richtig,
    aber ich hatte es da schon gründlich satt.
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht einmal, warum ich diesen ganzen Unsinn mit ihr anfing. Das
    Gerede über die Fahrt nach Massachusetts und Vermont und so. Vermutlich hätte ich sie gar nicht
    mitgenommen, falls sie dazu bereit gewesen wäre. Sie war nicht so, daß man mit ihr hätte
    fortgehen können. Aber das Schreckliche an der Sache ist, daß ich es wirklich meinte, als ich
    ihr den Vorschlag machte. Das ist das Schreckliche daran. Ich bin wahnsinnig.

17. Kapitel
    Als ich vom Eisplatz wegging, hatte ich Hunger. Ich setzte mich also in ein Restaurant und aß
    ein Käsesandwich mit einem Glas Malzmilch, und dann ging ich in eine Telefonkabine. Ich wollte
    Jane anrufen und feststellen, ob sie schon in die Ferien gekommen war. Ich war ja den ganzen
    Abend frei, und ich dachte, falls sie schon zu Hause wäre, könnte ich irgendwohin mit ihr
    tanzen gehen. Ich hatte noch nie mit ihr getanzt. Aber ich hatte sie einmal tanzen gesehen. Sie
    schien sehr gut zu tanzen.
Das war an dem Klubball, der immer am 4. Juli stattfindet. Ich kannte sie damals noch nicht
    näher und hielt es nicht für passend, sie ihrem Kavalier wegzuschnappen. Sie war mit diesem
    schrecklichen Al Pike aus, der in Choate war. Ihn kannte ich auch nicht näher, aber er lungerte
    immer am Schwimmbassin herum. Er hatte weiße Lastex-Badehosen und sprang immer vom hohen
    Sprungbrett herunter. Den ganzen Tag machte er den gleichen blöden Überschlag. Das war der
    einzige Sprung, den er konnte, aber er hielt sich für eine große Kanone.
Lauter Muskeln und kein Hirn. Dieser Al Pike begleitete Jane also an dem Abend. Ich konnte das
    nicht verstehen. Wirklich nicht. Als wir uns später besser kannten, fragte ich sie, wie sie mit
    einem solchen Angeber ausgehen könne. Jane sagte, er sei kein Angeber. Sie behauptete, er habe
    einen Minderwertigkeitskomplex.
Sie äußerte sich so, als ob er ihr leid täte, und das war nicht geheuchelt, sondern ganz
    ehrlich gemeint. Mädchen sind komisch. Jedesmal, wenn man von irgendeinem Esel redet, der
    offensichtlich gemein oder furchtbar eingebildet oder ich weiß nicht was ist, antwortet das
    Mädchen, zu der

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