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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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erzählt hast?«
»Ach - Jane Gallagher. Es geht ihr gut. Wahrscheinlich rufe ich sie morgen an.«
Unterdessen waren wir mit dem Bett fertig. »Da wäre dein Lager«, sagte Mr. Antolini. »Ich weiß
    nur nicht, was zum Kuckuck du mit deinen Beinen anfangen willst.«
»Das geht schon. Ich bin kurze Betten gewöhnt«, sagte ich. »Vielen Dank, Sir. Sie und Ihre Frau
    haben mir wirklich heute nacht das Leben gerettet.«
»Du weißt ja, wo das Badezimmer ist. Wenn du noch irgend etwas brauchst, schrei einfach. Ich
    bin vorläufig noch in der Küche - das Licht stört dich doch sicher nicht?«
»Nein, wahrhaftig nicht. Vielen Dank.«
»Schön. Dann gute Nacht, mein Hübscher!«
»Gute Nacht, Sir. Danke vielmals.«
Er verschwand in die Küche, und ich ging ins Badezimmer und zog mich aus und so. Die Zähne
    konnte ich mir nicht putzen, weil ich keine Zahnbürste bei mir hatte. Ich hatte auch keinen
    Pyjama, und Mr. Antolini hatte vergessen, mir einen zu leihen. Ich ging also ins Wohnzimmer
    zurück, drehte die kleine Lampe neben der Couch aus und legte mich nur in meinen kurzen
    Unterhosen ins Bett.
Die Couch war viel zu kurz für mich, aber ich hätte tatsächlich auch im Stehen schlafen können,
    sogar ohne die Augen zuzumachen. Ich lag noch ein paar Sekunden wach und dachte an alles, was
    Mr. Antolini gesagt hatte. Daß man seine eigenen geistigen Möglichkeiten kennenlernen müsse und
    so weiter. Er war wirklich ein intelligenter Mensch. Aber ich konnte meine verdammten Augen
    nicht offenhalten und schlief ein.
Dann passierte etwas, das ich nicht gern erzähle.
Ich wachte plötzlich auf. Ich weiß nicht, wieviel Uhr es war und so, aber jedenfalls wachte ich
    plötzlich auf. Ich fühlte etwas am Kopf, irgendeine Hand. Ich erschrak fürchterlich. Es war Mr.
    Antolinis Hand. Er saß neben der Couch am Boden, im Dunkeln, und streichelte oder tätschelte
    meinen verdammten Kopf. Ich machte einen meterhohen Luftsprung, glaube ich.
»Was zum Teufel machen Sie denn?« fragte ich.
»Nichts! Ich sitze nur hier und bewundere -«
»Aber was machen Sie denn?« fragte ich wieder. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte - ich fand
    es wahnsinnig peinlich.
»Könntest du nicht deine Stimme etwas dämpfen? Ich sitze hier nur-«
»Ich muß ohnedies«, sagte ich. Großer Gott, ich war vielleicht nervös. Ich fing im Dunkeln an,
    meine verdammten Hosen anzuziehen. Aber ich war so nervös, daß ich kaum dazu imstand war. Mir
    sind in den Schulen sicher mehr Perverse begegnet als jedem andern Menschen, und immer müssen
    sie sich ausgerechnet dann pervers aufführen, wenn ich in der Nähe bin.
»Wohin mußt du fortgehen?« fragte Mr. Antolini. Er versuchte sich verdammt gelassen und
    nonchalant zu benehmen, aber es war in Wirklichkeit nicht weit her damit, das kann man mir
    glauben.
»Ich habe noch meine Koffer und alles am Bahnhof. Vielleicht sollte ich lieber hingehn und sie
    holen. Ich hab meine sämtlichen Sachen drin.«
»Die sind morgen auch noch da. Geh nur wieder ins Bett. Ich selber geh jetzt auch schlafen. Was
    ist denn mit dir los?«
»Gar nichts, nur weil in meinem Koffer mein ganzes Geld ist. Ich komme gleich wieder zurück.
    Ich nehme ein Taxi und bin gleich wieder da«, sagte ich. Herr im Himmel, ich fiel im Dunkeln
    fast über mich selber. »Das Geld ist eben nicht meines. Es gehört meiner Mutter, und ich
    -«
»Sei nicht lächerlich, Holden. Geh wieder ins Bett. Ich geh selber auch. Das Geld ist auch
    morgen früh noch unver -«
»Nein, im Ernst. Ich muß es holen. Wirklich.« Ich war schon fast fertig angezogen, nur meine
    Krawatte fand ich nirgends. Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich sie hingelegt hatte. Ich gab
    es auf und zog nur die Jacke an. Der gute Antolini saß jetzt etwas weiter weg in dem großen
    Sessel und beobachtete mich.
Obwohl es so dunkel war und ich ihn nicht richtig sehen konnte, wußte ich doch ganz genau, daß
    er mich anschaute. Er trank immer noch. Ich konnte das Whiskyglas in seiner Hand
    erkennen.
»Du bist ein sehr, sehr sonderbarer Bursche.«
»Ich weiß«, sagte ich. Meine Krawatte gab ich endgültig auf.
Ich ging einfach ohne Krawatte weg. »Auf Wiedersehen, Sir«, sagte ich. »Vielen Dank,
    wirklich.«
Er ging hinter mir her, während ich zur Wohnungstür ging, und als ich am Lift läutete, blieb er
    in dem verdammten Türrahmen stehen. Er sagte nur wieder, daß ich »ein sehr, sehr sonderbarer
    Bursche« sei. Sonderbar, weiß der Himmel. Dann wartete er im Türrahmen, bis

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