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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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- das Gesicht und
    die Augen und alles -, wenn die Hormone intakt wären, und ich sah absolut nicht so aus. Auf
    mich paßte die Beschreibung von dem Kerl in dem Artikel, bei dem die Hormone nicht in Ordnung
    sind. Ich fing an, mir über meine Hormone Sorgen zu machen. Dann las ich einen Artikel darüber,
    wie man feststellen könne, ob man Krebs habe. Wenn man wunde Stellen im Mund habe, die nicht
    sofort heilen, hieß es, dann sei das ein Zeichen, daß man vermutlich Krebs habe. Und ich hatte
    ja seit gut zwei Wochen innen an der Lippe eine wunde Stelle. Deshalb vermutete ich, daß ich
    Krebs bekäme. Dieses Magazin war wirklich ein kleiner »Aufmunterer«. Schließlich legte ich es
    weg und ging spazieren. Ich dachte, daß ich wahrscheinlich in ein paar Monaten an Krebs sterben
    würde.
Ganz im Ernst. Ich war überzeugt davon. Das besserte meine Stimmung absolut nicht.
Draußen sah es so aus, als ob es bald regnen würde, aber ich machte trotzdem einen
    Spaziergang.
Erstens einmal dachte ich, daß ich irgend etwas frühstücken sollte. Ich hatte gar keinen
    Hunger, aber ich dachte, ich müßte doch wenigstens etwas essen. Wenigstens irgend etwas mit
    Vitaminen. Ich ging in östlicher Richtung, wo die billigen Restaurants sind, weil ich möglichst
    wenig Geld ausgeben wollte.
Auf dem Weg kam ich an zwei Burschen vorbei, die von einem Lastwagen einen großen Tannenbaum
    abluden. Der eine rief immer: »Heb den verdammten Hund doch höher! Halt ihn doch höher,
    Herrgott noch mal!« Das war wirklich eine herrliche Art, über einen Christbaum zu reden. Es
    klang schrecklich, aber dabei auch komisch, so daß ich lachen mußte.
Das war schlimm, denn sobald ich zu lachen anfing, hatte ich das Gefühl, daß ich mich übergeben
    müsse. Tatsächlich. Ich fing schon fast damit an, aber dann kam es doch nicht dazu. Ich weiß
    nicht warum. Ich meine, ich hatte ja nichts Unverdauliches oder so gegessen, und im allgemeinen
    habe ich einen sehr guten Magen. Jedenfalls ging es also vorbei, und ich dachte, wahrscheinlich
    würde es mir gut tun, etwas zu essen. Ich setzte mich also in ein sehr billig aussehendes
    Restaurant und bestellte Zuckersemmeln und Kaffee. Die Semmeln aß ich dann aber nicht. Ich
    hätte sie nicht gut schlucken können. Wenn man sehr deprimiert ist, kann man eben nicht mehr
    richtig schlucken. Der Kellner war aber sehr freundlich. Er nahm sie wieder weg und ließ mich
    nicht dafür bezahlen. Ich trank nur den Kaffee. Dann ging ich fort und machte mich auf den Weg
    zur Fifth Avenue.
Es war Montag, schon fast Weihnachten, und alle Geschäfte waren offen. Die Fifth Avenue machte
    keinen zu üblen Eindruck. Es war sogar recht weihnachtlich. Alle die verwahrlost aussehenden
    Nikolausmänner standen an den Straßenecken und läuteten mit ihren Glöckchen, und auch die
    Heilsarmeemädchen, die keinen Lippenstift und so weiter benutzen, läuteten mit Glöckchen. Ich
    hielt eigentlich immer Ausschau nach den beiden Nonnen, die ich am Sonntag beim Frühstück
    getroffen hatte, aber ich entdeckte sie nirgends. Ich wußte zwar, daß sie nicht auftauchen
    würden, weil sie mir ja gesagt hatten, daß sie als Lehrerinnen nach New York gekommen waren,
    aber ich suchte sie trotzdem fortwährend.
Jedenfalls war es also plötzlich ganz weihnachtsmäßig.
Millionen von kleinen Kindern waren mit ihren Müttern in der Stadt, stiegen aus Omnibussen oder
    kletterten hinein und drängten sich an den Geschäftseingängen. Ich hätte Phoebe gern
    dabeigehabt. Sie ist zwar nicht mehr so klein, daß sie in den Spielwarenabteilungen außer sich
    geriete, aber es macht ihr großen Spaß, so herumzustrolchen und die Leute anzuschauen.
Vorletztes Jahr nahm ich sie um diese Zeit zum Einkaufen mit.
Wir verbrachten einen tollen Nachmittag. Ich glaube, es war bei Bloomingdale.
Wir gingen in die Schuhabteilung und behaupteten, daß sie - die gute Phoebe - ein Paar von
    diesen hohen Schnürstiefeln brauche, die mindestens eine Million Ösen haben. Der arme Verkäufer
    wurde halb wahnsinnig. Phoebe probierte ungefähr zwanzig Paar Schuhe an, und der arme Teufel
    mußte jedes bis zuoberst zuschnüren. Es war ein gemeiner Streich, aber Phoebe war hingerissen.
    Schließlich kauften wir ein Paar Mokassins.
Der Verkäufer blieb sehr freundlich. Er bemerkte, glaube ich, daß wir nur Unsinn machten, weil
    Phoebe immer zu kichern anfängt.
Ich ging immer weiter und weiter die Fifth Avenue entlang ohne Krawatte und so. Plötzlich fing
    etwas Unheimliches

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