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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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sympathisch oder unsympathisch ist. Das Wissen liegt dir am Herzen. Und wahrscheinlich
    wirst du sehen - sobald du dich einmal über alle diese Mr. Vineses und ihren mündlichen Aus
    -«
»Mr. Vinsons«, sagte ich. Er hatte sagen wollen »alle diese Mr. Vinsons«, nicht »alle diese Mr.
    Vineses«. Aber ich hätte ihn trotzdem nicht unterbrechen sollen.
»Also gut - die Mr. Vinsons. Sobald du dich einmal über alle die Mr. Vinsons hinwegsetzen
    kannst, wirst du - vorausgesetzt, daß du es wirklich willst und danach suchst und darauf
    wartest - immer näher zu den Kenntnissen vordringen, die dir sehr, sehr kostbar sein werden.
    Unter anderem siehst du dann, daß du nicht der erste Mensch bist, den das Verhalten seiner
    Mitmenschen verwirrte und bedrückte. Du stehst in der Hinsicht durchaus nicht allein; dieses
    Wissen wird dich erregen und anfeuern . Unzählige Menschen waren schon in derselben
    moralischen und geistigen Verwirrung, die du jetzt gerade durchmachst. Glücklicherweise haben
    einige von ihnen darüber Bericht erstattet. Von ihnen wirst du lernen, falls du wirklich
    willst. Genauso wie eines Tages, wenn du selbst etwas zu bieten hast, auch irgendwelche anderen
    wieder von dir lernen werden. Das ist eine wunderbare Gegenseitigkeit. Und das ist keine
    Bildung. Das ist Geschichte. Das ist Poesie!« Er machte eine Pause und nahm wieder einen
    Schluck Whisky. Dann fing er wieder an. Er war wirklich in Fahrt. Ich war froh, daß ich nicht
    versucht hatte, ihn zum Aufhören zu bewegen. »Ich will damit nicht sagen, daß nur gebildete
    Männer imstande wären, der Welt etwas Wertvolles zu geben«, sagte er. »Das trifft durchaus
    nicht zu. Aber ich sage, daß gebildete und gelehrte Männer - vorausgesetzt, daß sie begabt und
    schöpferisch sind, was leider selten der Fall ist - im allgemeinen ungleich wertvollere
    Berichte hinterlassen als solche, die nur begabt und schöpferisch sind. Im allgemeinen können
    sie sich klarer ausdrücken und haben eine Vorliebe dafür, ihre Gedanken bis zu Ende zu
    verfolgen. Und - was wohl das Wichtigste ist - in neun von zehn Fällen haben sie mehr
    Bescheidenheit als der ungeschulte Denker. Kannst du mir überhaupt folgen?«
»Ja, Sir.«
Er schwieg wieder ziemlich lange. Ich weiß nicht, ob es andern auch so geht, aber mir fällt es
    sehr schwer, einfach dazusitzen und zu warten, bis jemand wieder etwas sagt, während er
    nachdenkt und so. Ich finde es wirklich anstrengend.
Ich versuchte fortwährend, mein Gähnen zu unterdrücken.
Nicht daß ich mich gelangweilt hätte oder so - das gar nicht -, aber ich war plötzlich so
    verdammt schläfrig.
»Noch etwas, das eine akademische Bildung dir vermitteln wird. Wenn du eine gewisse Strecke
    zurückgelegt hast, entsteht durch diese Bildung ein Gefühl für deine geistigen Möglichkeiten.
    Eine Vorstellung davon, was geistig für dich paßt und vielleicht auch, was nicht für dich paßt.
    Nach einiger Zeit entwickelst du ein Gefühl dafür, welche Art von Gedanken dir gemäß sind -
    welche deiner geistigen Größe sozusagen stehen. Das kann dir außerordentlich viel Zeit
    ersparen, in der du sonst Ideen anprobieren würdest, die dir nicht stehen, die nicht zu dir
    passen. Du wirst deine wirklichen Maße kennenlernen und dich geistig dementsprechend
    anziehen.«
In diesem Augenblick gähnte ich plötzlich. So eine Grobheit - aber ich konnte es nicht
    verhindern.
Mr. Antolini lachte aber nur. »Komm«, sagte er und stand auf.
»Wir wollen dir deine Couch herrichten.«
Ich ging hinter ihm her zum Wäscheschrank. Er versuchte die Leintücher und Decken und alles vom
    obersten Fach herunterzuholen, brachte es aber mit dem Whiskyglas in der Hand nicht
    fertig.
Daraufhin trank er es aus und stellte es auf den Fußboden, und dann nahm er das Zeug aus dem
    Schrank. Ich trug es mit ihm zur Couch. Wir bezogen zusammen mein Bett. Er machte es nicht
    besonders gut. Er spannte die Tücher nicht richtig straff.
Mir war das zwar gleichgültig. Ich war so müde, daß ich auch im Stehen hätte schlafen
    können.
»Wie geht's allen deinen Frauen?«
»Ganz gut.« Ich war ein miserabler Gesprächspartner, aber ich war einfach nicht in der
    Stimmung.
»Wie geht es Sally?« Er kannte Sally Hayes. Ich hatte sie ihm einmal vorgeführt.
»Gut. Ich war heute nachmittag mit ihr zusammen.« Großer Gott, das schien zwanzig Jahre her zu
    sein! »Wir haben nicht mehr viel gemeinsam.«
»Auffallend hübsches Mädchen. Und die andre? Die in Maine, von der du mir

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