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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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an.
Jedesmal wenn ich eine Nebenstraße kreuzen mußte und von dem verdammten Randstein hinuntertrat,
    hatte ich das Gefühle, daß ich die andere Straßenseite nicht erreichen könne. Es war, als ob
    ich hinunter, hinunter, hinunter sinken müßte und mich kein Mensch je wieder sehen würde. Ich
    bekam einen schönen Schrecken. Niemand kann sich das vorstellen. Ich schwitzte wie ein Idiot -
    mein ganzes Hemd und die Wäsche und alles wurde tropfnaß. Dann fing ich an, bei jeder Kreuzung
    so zu tun, als ob ich mit meinem Bruder Allie spräche.
Ich sagte: »Allie, laß mich nicht verschwinden. Allie, laß mich nicht verschwinden. Bitte
    Allie.« Und wenn ich glücklich auf der andern Seite ankam, ohne zu verschwinden, würde ich ihm
    danken. Nach dem nächsten Häuserblock fing es wieder von vorne an. Aber ich ging doch weiter.
    Vermutlich fürchtete ich mich vor dem Stehenbleiben - ich erinnere mich nicht mehr genau,
    ehrlich gesagt. Aber ich weiß noch, daß ich noch fast bis zur Seventeenth Street und weit über
    den Zoo hinausging. Dann setzte ich mich auf eine Bank. Ich konnte kaum atmen und schwitzte
    blödsinnig. Dort blieb ich ungefähr eine Stunde lang sitzen, glaube ich. Schlußendlich beschloß
    ich, wirklich wegzugehen.
Ich wollte nie mehr nach Hause und nie mehr in eine Schule gehen. Nur Phoebe wollte ich noch
    einmal sehen und mich von ihr verabschieden und ihr das Geld zurückgeben, und dann wollte ich
    nach Westen trampen. Ich dachte, ich könnte zum Holland Tunnel gehen und mich dort von einem
    Auto mitnehmen lassen und dann vom nächsten und so weiter, bis ich nach ein paar Tagen irgendwo
    im Westen ankäme, wo es schön und sonnig wäre und mich niemand kennen würde. Dort fände ich
    sicher Arbeit in irgendeiner Tankstelle und könnte den Leuten Benzin und Öl in ihre Autos
    füllen, dachte ich. Es war mir auch gleichgültig, welche Art von Arbeit ich finden würde.
Wenn mich nur niemand kannte und ich auch keinen Menschen kannte. Ich dachte mir aus, daß ich
    mich taubstumm stellen würde. Auf diese Weise brauchte ich keine verdammten, blöden, nutzlosen
    Gespräche mit irgend jemand zu führen. Falls jemand mir etwas mitzuteilen hatte, mußte er es
    eben auf einen Zettel schreiben. Das würde die Leute bald langweilen, dachte ich, und dann
    hätte ich für den Rest meines Lebens alle Gespräche hinter mir. Alle würden mich für einen
    armen taubstummen Hund halten und mich in Ruhe lassen. Ich müßte nur Benzin und Öl in ihre
    blöden Autos füllen und bekäme ein Gehalt dafür, und von dem verdienten Geld würde ich mir
    irgendwo eine kleine Blockhütte bauen und dort für den Rest meines Lebens bleiben.
Die Hütte müßte am Waldrand stehen, aber nicht im Wald drinnen, damit sie immer ganz sonnig
    wäre. Ich würde mir selber kochen, und später, falls ich heiraten wollte oder so, würde mir
    dieses schöne Mädchen begegnen, ebenfalls eine Taubstumme, und wir würden heiraten. Sie würde
    zu mir in die Blockhütte ziehen, und wenn sie mir etwas zu sagen hätte, müßte sie es auf einen
    verdammten Zettel schreiben, so wie alle andern auch. Falls wir Kinder bekämen, würden wir sie
    irgendwo verstecken. Wir könnten ihnen viele Bücher kaufen und sie selber Lesen und Schreiben
    lehren.
Diese Vorstellung erregte mich. Im Ernst. Ich wußte zwar, daß der Punkt mit der angeblichen
    Taubstummheit verrückt war, aber die Vorstellung gefiel mir doch sehr. Jedenfalls war ich
    entschlossen, nach dem Westen zu fahren. Ich wollte mich nur vorher noch von Phoebe
    verabschieden, sonst nichts. Deshalb rannte ich plötzlich wie besessen über die Straße - ich
    wurde dabei fast überfahren, falls das jemand interessiert - und kaufte in einem
    Schreibwarengeschäft einen Notizblock und einen Bleistift. Ich wollte Phoebe schreiben, wo sie
    mich treffen solle, damit ich mich von ihr verabschieden und ihr das Weihnachtsgeld zurückgeben
    könne, und dann wollte ich mit dem Blatt in die Schule gehen und jemanden im Büro bitten, es
    ihr zu geben. Vorläufig steckte ich Notizblock und Bleistift nur in die Tasche und lief so
    schnell ich konnte in ihre Schule. Ich war zu aufgeregt, um die Nachricht schon in dem Geschäft
    zu schreiben. Ich beeilte mich deshalb so, weil sie meine Botschaft bekommen sollte, bevor sie
    zum Essen heimging, und es war schon ziemlich spät.
Natürlich wußte ich, wo die Schule war, weil ich selber früher auch dorthin gegangen war. Als
    ich hinkam, hatte ich ein komisches Gefühl. Ich

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