Der Fänger
Disco aufgebaut. Etwas außerhalb des Ortes war diese Halle zu einem Anziehungspunkt für die jungen Leute geworden. Sie kamen von weit her, um sich zu amüsieren, und dann war auch dieser Mann erschienen, der seine Blicke nicht von Raissa hatte lassen können.
Mit ihren neunzehn Jahren hatte sie noch keine Erfahrungen sammeln können. Aber sie hatte Träume. Sie wollte weg aus diesem Leben und irgendwo anders ein neues beginnen. Wenn möglich in einem anderen Land, wo die Chancen größer waren.
Der Traum hatte sich erfüllt.
Der Fremde hatte sie angesprochen und sich als Igor Sartow vorgestellt. Er hatte sie gefragt, ob er sie besuchen und mit ihren Eltern reden könnte. Wie im Traum hatte Raissa zugestimmt, und dann war alles sehr schnell gegangen. Ihre Eltern und auch sie hatten Vertrauen zu dem Mann gewonnen, denn er hatte ihnen beweisen können, dass er zu den Menschen gehörte, die es tatsächlich ehrlich meinten, und nicht zu den Täuschern, die hübsche Dinger für die Bordelle in den westlichen Staaten suchten.
Als ihre Eltern die Zustimmung gegeben hatten, da war auch Raissa einverstanden gewesen, und dann war innerhalb weniger Tage alles erledigt gewesen.
Die Kündigung in der Bleistiftfabrik, die neuen Klamotten, die man ihr gekauft hatte, das Taschengeld, das ihr überlassen worden war, und dann der Flug nach London.
Anschließend das Hotel, von dem Raissa nicht mal zu träumen gewagt hatte, hier zu leben. Igor hatte eine Junior-Suite gemietet, die sie nun beide bewohnten.
Raissa hatte damit gerechnet, dass sie einen Preis für alles hätte zahlen müssen. Davor fürchtete sie sich zwar, aber umbringen würde es sie nicht. Außerdem hatte sie ihre Unschuld schon vor drei Jahren verloren, als sie sich in einen Soldaten verliebt hatte.
Alles war anders gekommen. Man hatte sie nicht angefasst, aber es war ein Arzt in ihrer Suite erschienen. Vor ihm hatte sie sich ausziehen müssen, und er hatte sie durchgecheckt, so weit es seine Mittel außerhalb einer Praxis erlaubten.
Raissa hatte das sogar verstanden. Schließlich kaufte niemand eine Katze im Sack, und bei der Untersuchung hatte der Arzt sehr zufrieden einige Male gelächelt und genickt.
Nach der Untersuchung hatte sie sich wieder anziehen können. Igor war mit dem Mann im Nebenraum verschwunden. Die Tür hatten sie geschlossen, sodass Raissa nicht hatte hören können, was zwischen ihnen gesprochen wurde.
Und jetzt wartete sie. Sie hatte sich ein zweites Frühstück kommen lassen. Einen Sandwich mit dem Fleisch einer Pute belegt und mit Salatblättern aufgefrischt. Dazu trank sie Wasser. Sie hätte auch etwas anderes trinken können, aber das schadete nur der Figur.
Raissa gehört zu den Mädchen, die aus keinem reichen Elternhaus kamen, aber für eines hatte ihr Vater gesorgt. Für eine gute Schulbildung. Und so hatte sie die Schule bis zum Ende durchgemacht und auch zwei Jahre lang eine Fremdsprache gelernt – Englisch.
Ihr Wissen reichte aus, um sich verständigen zu können. So hatte sie auch keine Angst vor einem fremden Land, aber sie war trotzdem froh, einen Landsmann als Entdecker zu haben.
Raissa hatte sich an den Tisch aus der Biedermeierzeit gesetzt und aß langsam. Innerlich war sie nicht so ruhig. Sie fragte sich immer wieder, was wohl passieren würde. Man hatte ihr gesagt, dass dieses Hotel eine Übergangsstation war, später würde sie mit den anderen Mädchen zusammen in einer nicht so feinen Herberge wohnen, was ihr allerdings nichts ausmachte. Diese Welt war sowieso nichts für sie.
Raissa war ein hübsches Mädchen. Sehr dunkle Haare, von der Natur aus gewellt. So sah sie auf den ersten Blick aus wie eine Puppe. Sie hatte einen gut entwickelten Körper, war stolz auf ihre festen Brüste und die langen Beine.
Igor hatte ihr versprochen, dass sie bald zu den gefragtesten Models gehören würde. Dann würde ihr Zuhause die große weite Welt sein, und so sah sie sich dicht vor der Erfüllung ihrer Träume.
Alles passte, das Leben war schön, sie hätte jubeln können. Man hatte ihr erlaubt, eine Nachricht an die Eltern zu schicken. Trotzdem war sie von einer inneren Unruhe erfüllt, und das noch nicht sehr lange. Die Unruhe hatte sich erst mit dem Besuch des Arztes eingestellt, den sie nicht mochte.
Seine Augen waren ihr suspekt gewesen. So dunkel und starr. Man konnte da schon von einem bösen Blick sprechen, der sie getroffen hatte. Dieser Doktor hatte sie angeschaut wie ein Stück Vieh. Sie wollte nicht mehr daran
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