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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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nieder und zog die Decken über mich, und ich flüsterte ein Wort des Dankes für das Boot und für die Macht, die es mir geschickt hatte.
    Ich erinnere mich nicht daran, wie ich einschlief, aber das nächste, was ich wieder sah, war das Licht des Sonnenaufgangs, das sich über mich ergoß. Es war heller als jeder Sonnenaufgang, an den ich mich erinnern konnte. Ich lag auf dem Rücken im Boot und starrte hinauf auf die langen Bänder von Farbe, die den Himmel vom Osten bis zum Zenit bedeckten.
    Solcher Glanz versprach ein Schicksal von gleicher Schönheit.
    Ich setzte mich auf. Das Boot bewegte sich noch immer, aber jetzt ein wenig langsamer. Sein Bug und seine Seiten glühten im Widerschein des Feuers auf dem Wasser. Selbst die See wirkte nicht wie Wasser, das ich je gesehen hatte. Sie war klar, aber gefärbt mit Smaragd und Azur, Farben, strahlender als irgendwelche Farben auf Erden, Juwelentöne mit all ihrer Leuchtkraft, und sie glitzerten im Licht der Dämmerung. Die Sonne warf meinen Schatten vor dem Bug des Bootes aufs Wasser, und wir glitten vorwärts wie auf einer Straße. Während ich zusah, flogen Vögel von Westen her, und ihre weißen und goldenen Schwingen blitzten. Ich schaute eifrig nach vorn, und ich hoffte, das Land zu sehen, von dem sie kamen.
    Bald näherten wir uns ihm. Es erhob sich grüngolden aus dem Ozean. Die Sonne traf auf irgendeine leuchtende Oberfläche, und ein reines, klares Licht blitzte auf wie ein Freudenschrei. Wirklich, dieses Land mußte die Ebene des Glücks sein, von dem so viele Lieder sangen. Das Licht hatte mich gehört. Ich hob meine Arme dem Morgen entgegen und sang eins der Lieder über die Inseln, denen ich mich schnell näherte:
    Da siehst du das Land, das Silberne,
    Dort regnen Drachenstein und Diamant,
    Und auf den Sand schleudert die See
    aus der glänzenden Mähne gleißend’ Geschmeide.
    Ich hatte kaum Zeit, mein Lied zu Ende zu bringen, als das Boot sich zu einem weißen Dock hinüberschob, das vom Land ins Meer ragte. Dort hielt es an, seine Reise war vorüber.
    Ich stand auf und trat hinaus auf das Dock. Ich warf einen Blick zurück in das Boot, ich hatte ein wenig Angst, es zu verlassen. Aber dann schaute ich zum Land hinüber, zum grünen Gras, zu dem goldsandigen Pfad, der von der Landungsbrücke hinaufführte, zu den hohen Bäumen
    - Bäumen! Das waren Dinge, die man auf den Orkneys kaum sieht - sie machten schwebende Bewegungen wie Tänzer. Ich begann, den Pfad hinaufzugehen, ich ging ganz langsam und wunderte mich. Aber die lähmende Ungläubigkeit, die man erwarten würde, die fühlte ich nicht. Obwohl alles wundervoll war, wirkte es völlig natürlich wie Dinge, die in einem leuchtenden Traum vorkommen. Später, das war mir klar, mußte das Erstaunen kommen. Aber jetzt war es unmöglich. Diese Insel der Seligen war für mich wirklicher als die Orkneys. Das, was ich verlassen hatte, schien mir wie ein Traum.
    Ich ging den Pfad hinauf, ich genoß die Schönheit um mich her. Überall waren Blumen, und keine zwei glichen sich. Ihr Duft mischte sich mit dem Gesang der Vögel, den Klängen der Brise in den Bäumen. Ich ging schneller, dann rannte ich, aus reiner Freude an der Bewegung, und dann umrundete ich eine Kurve im Pfad und blieb stehen, denn ich hatte die Halle gefunden, die der Mittelpunkt dieses Ortes war.
    Sie sah ziemlich genauso aus wie in den Beschreibungen. Die Wände waren aus weißer Bronze und Goldfiligran, dicht miteinander verwoben. Sie waren poliert und leuchteten. Das Dach bestand aus Schwungfedern aller Vögel, die je gelebt hatten, von jeder Farbe, und alle Farben vertrugen sich miteinander. Das Dach glänzte fast so leuchtend wie die Sonne.
    Ich ging langsam darauf zu, halb angsterfüllt, obwohl ich wußte, daß ich nicht hier gewesen wäre, wenn man mich nicht haben wollte. Ich näherte mich den großen silbernen Türen und klopfte leise an. Sie öffneten sich von selbst, enthüllten die innere Halle, die unbeschreiblich schön ist. Dennoch ähnelte sie einer irdischen Festhalle genug, so daß ich wußte, wo ich meine Augen zu dem Mann erheben mußte, der am hohen Tisch saß, über den anderen, die die Halle bevölkerten. Sie waren alle so schön, daß mir die Tränen in die Augen stiegen, und ich spürte meine Menschlichkeit und meine schmutzigen Kleider, als ob das Gewicht der ganzen Welt auf mir läge. Aber der Mann, der am hohen Tisch saß, der Herr der Halle, lächelte mich an - es war strahlendes, wildes Lächeln. Er winkte

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