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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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hochgezogenen Bug, und auch sein Heck war hoch, ganz anders als bei einer Karacke, obwohl es sonst wie eine aussah. Aber es besaß weder Ruder noch Mast noch Steuer, und die Farbe glich keinem Holz und keiner Haut, die ich je gesehen hatte. Es wirkte grauweiß im leuchtenden Nebel. Es war auch kein Wrack, das sah ich. Kissen und Decken waren darin gehäuft. Und dennoch saß niemand darin. Der Kiel lag auf den Steinen, und die Wellen, die ganz still geworden waren, klatschten und rollten hinaus in den Nebel. Ein anderes Geräusch hörte ich nicht.
    Ich stand langsam auf und starrte hin. Kein Boot wäre so beim Llyn Gwalch gelandet. Die Strömung des Baches, zusammen mit einem Sog, der oft wild war, schob alles Schwimmende auf die Felsen an der Seite. Ich machte ein paar Schritte auf das Boot zu. Es lag da, halb an Land, halb im Wasser, wie eine bleiche Blüte. Ich bemerkte jetzt, daß es kein Schemen war, den das Mondlicht im Nebel warf, sondern das Boot schimmerte wirklich leicht in der Dunkelheit. Ich fühlte die Magie, die mit ihm verwoben war, sie berührte mein Haar wie eine schwache Brise, und ich blieb stehen und sah zu.
    Und dennoch.
    Es fühlte sich nicht an wie dunkle Magie. Der Zauber war hell und leicht und rein wie eine Möwe, die über den Wellen schwebt. Und obwohl die Dinge anders sein konnten, als sie wirkten, ich hatte an diesem Nachmittag Worte gesprochen, während ich meiner kleinen Karacke zusah, wie sie davonsegelte, und das Schweigen in meinem Herzen hatte zugehört.
    Selbst wenn dies nur ein Phantom war, eine Falle, gestellt von dem Dämon, der auf der Klippe lauerte, was konnte denn geschehen, außer daß ich jetzt starb, anstatt später? Ich entschloß mich, und ich ging vorwärts, um meine Hand auf den Kiel des Bootes zu legen. Das Boot war weich, warm, wie etwas Lebendiges, ein ausgebildeter Falke, der voll Eifer, zu fliegen, seine Federn aufplustert. Ich zog meine Schuhe aus, warf sie ins Boot, schob es von den Steinen ab, kletterte hinein, als es ein paar Fuß vom Strand entfernt war.
    Während das Boot dort schwamm, während es auf der ruhigen See auf- und abtanzte und ich nach einem Ruder suchte, spürte ich, wie sich über mir etwas regte, und ich blickte auf. Der Schatten lag wieder auf der Spitze der Klippe, jetzt wie der Schatten einer Wolke. Meine Fäuste ballten sich, und wieder sehnte ich mich nach meinem Dolch. Dann fuhr ich zusammen, denn das Boot begann sich von selbst zu bewegen, ganz langsam. Es wandte sich ab vom Llyn Gwalch, bis sein Bug nach Westen zeigte. Es begann, sich über die Wellen vorwärtszubewegen, die im Mondlicht zitterten.
    Der Schatten auf der Klippe wurde kleiner, dunkler. Er huschte nach unten an der Felswand, er schwang um Llyn Gwalch herum. Eine kalte Finsternis wischte an mir vorüber, wie ein unsichtbarer Vogel, und das kränkliche, erstickende Gefühl der Nacht, die vergangen war, berührte mich wieder. Aber das Boot gewann an Geschwindigkeit, glitt über die Wellen, und plötzlich fiel mir ein, was man von bösen und offenen Wassern sagt und daß manche Geister die weite See nicht überqueren dürfen. Ich lachte. Die schwarzen Tentakel fielen ab von mir.
    Vom Heck aus sah ich zu, wie Llyn Gwalch hinter mir zusammenschrumpfte, zu einem kleinen, blassen Fleck an der Felswand wurde und dann zu einer weichen Stelle im Schäumen der hellen Brandung im Mondlicht. Der Wasserfall des Bachs sah aus wie eine Kette aus Silber, die von der Klippe herabhing - und dann wurde der Nebel dichter, und das Boot glitt hinein, und Llyn Gwalch und die Insel, auf der ich bis jetzt mein Leben verbracht hatte, schwanden vor meinem Blick. Keine Worte des Abschieds fielen mir ein, und ich schaute über den Bug des Bootes nach Westen. Wir gewannen noch immer an Geschwindigkeit. Ich lachte wieder, fühlte den gleichen, überschwenglichen Triumph und die Freiheit, die ich an diesem Morgen gefühlt hatte, und ich sang ein Lied des Triumphes im Krieg. Das Boot sprang vorwärts wie ein williges Pferd, und es glitt weiter, schnell wie eine Möwe oder ein Falke, hinein in den Nebel und ins Mondlicht. Der Schaum glitzerte an seinem Bug, während es den Pfad des Lichtes entlangschwamm, den der sinkende Mond warf.
    Ich gähnte, ich begriff, daß ich noch immer sehr müde war. Die Kissen, die ich bemerkt hatte, waren weich und die Decken aus Seide und Hermelin viel wärmer als mein abgenutzter Umhang. Es war kalt bei der rauschenden Geschwindigkeit über die offene See. Ich legte mich

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