Der Falke des Lichts
stolzen Geist. Aber ich hatte kein Recht, ihm das Geschenk der Freiheit, das er mir gebracht hatte, mit dem Tod zu vergelten, den er erleiden würde, wenn ich ihn behielt. Langsam nahm ich ihm die Zügel ab. Ceincaled stand ganz still, und sein Spiegelbild im dunklen Wasser zitterte leicht. »Geh, mein Freund«, sagte ich ihm. »Du hast deine Freiheit wieder. Geh nach Haus. Vielleicht wird Lugh, der Meister aller Künste, dich reiten, denn ein minderes Wesen paßt nicht zu dir. Du hast gut gekämpft und tapfer, und ich biete dir meinen Dank.«
Ceincaled zögerte, als ob er zuhörte und verstand. Dann warf er den Kopf zurück, schnaubte den Zügel an und stürzte sich in den Fluß. Als er ihn überquert hatte, galoppierte er nach Westen. Ich sah zu, wie er zwischen den Bäumen verschwand. Dann seufzte ich, überquerte den Fluß selbst und hielt mich nach Westen.
Der Wald war nicht so dicht wie der, in dem ich aufgewacht war. Dennoch, er war dicht genug, um die Sachsen in die Irre zu leiten, wenn sie mir noch immer folgten. Das bezweifelte ich allerdings. Cerdic mußte mir Männer nachgeschickt haben, aber ich nahm an, sie hatten nicht herausgefunden, wo ich die Straße verlassen hatte. Und ich hatte die Ebene überquert, die nach Aussagen der Hörigen zwischen Dumnonia und den sächsischen Ländern lag, also war ich jetzt mit Sicherheit auf britischem Gebiet. Es konnte sein, daß sich ein Kriegshaufen in der Nähe befand. Nein, der letzte vom König befohlene Überfall war im Norden gewesen, in Powys. Ich war zu weit im Süden, als daß ich mit dem zusammentreffen konnte. Wahrscheinlich war ich sicher. Wenn ich mich ein wenig weiter nach Westen bewegte, dann war ich auf jeden Fall sicher.
Ich wanderte bis zum Einbruch der Dunkelheit - nicht allzulange. Dann hielt ich einfach an Ort und Stelle, wickelte mich in meinen Umhang und schlief unter einer Baumwurzel. Am folgenden Tag wanderte ich weiter, und ich fühlte mich erschöpft und schmutzig.
Ich war noch nicht weit gegangen, als ich eine Straße erreichte. Es war keine römische Straße, sondern ein einfacher, schlammiger Feldweg, der sich über die Kuppen der Hügel zog. Es war leichter, am Rand zu gehen oder durch den umgebenden Busch, denn auf der Straße lag der Schlamm tief und dick. Nichtsdestoweniger folgte ich der Spur nach Süden. Das war ein kleines Risiko, aber ich wollte jemanden finden, der mir sagen konnte, wo Artus war. Das Land war bewohnt, soviel wußte ich, denn ich hatte den Rauch von Herdfeuern am vergangenen Abend gesehen. Ich hielt es aber für sicherer auf jemanden zu warten, der möglichst allein reiste.
Das Risiko, das ich einging, zahlte sich aus. Ich war erst eine halbe Stunde gewandert, als ich auf einen Karren traf, der im Schlamm steckengeblieben war. Der Mann, der sich abquälte, um ihn wieder flottzumachen, war vierschrötig und rothaarig, und er fluchte auf britisch.
»Verdammt! Yfferns Hunde sollen dich niederrennen, Pferd! Kannst du denn nicht stärker ziehen?« brüllte er seine Mähre an. Das Tier ruckte ein paarmal halbherzig an, aber ohne Erfolg. Der Mann fluchte noch ein bißchen und trat gegen eins der Karrenräder. Mich hatte er noch nicht bemerkt.
»Ich grüße dich«, sagte ich, nachdem ich ihm eine Zeitlang zugesehen hatte. »Kann ich dir helfen?«
Der Mann hörte auf zu schieben und wirbelte herum. Er hatte offenbar Angst. Seine Augen weiteten sich, als er mich sah, und seine rechte Hand machte blitzschnell eine seltsame Bewegung. »Wer bist du?« wollte er wissen, und jetzt ließ er die Hand auf seinen Messergriff fallen. »Was willst du?«
»Ich will nichts von dir, und mit Sicherheit nicht dein Leben. Deshalb kannst du die Hand vom Messer nehmen. Ich habe dir nur angeboten, dir mit dem Karren zu helfen.«
Der Mann starrte mich lange und unsicher an. Dann zuckte er die Achseln, fuhr sich mit einer schweren Hand durchs Haar und rollte verärgert die Augen. »Ach! Na, du bist jedenfalls kein Sachse. Ob du mir helfen kannst? Nein, bestimmt nicht. Ich bin mit dem Karren hier steckengeblieben, aus reinem Spaß an der Sache. Es macht mir eine Riesenfreude, das Ding wieder aus dem Schlamm zu ziehen.«
Ich mochte diesen Mann. Ich lächelte. »In dem Fall tut es mir schrecklich leid, daß ich dich bei deinem angenehmen Zeitvertreib gestört habe. Ich überlasse dich also deinem angenehmen Spiel.«
Er runzelte verwirrt die Stirn und grinste dann. »Aber, aber. Ich war bloß wütend, und dein Angebot ist äußerst
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