Der Falke des Lichts
mich nicht mehr an Einzelheiten. Alles war in Verwirrung.«
Der Händler schnaufte plötzlich und schüttelte den Kopf. »Da hast du recht. Wirrköpfiger Blödsinn. Jeder, der mehr von einem Traum erwartet, ist ein Narr.«
»Ich bin noch nicht fertig«, schnappte Sion. »Laß mich die Geschichte zu Ende erzählen, und wenn du keine Lust hast zuzuhören, dann tu es nicht. - Es wurde immer dunkler, und das Rufen und das Klingen der Waffen wurde lauter. Der Drachen flog immer wieder über die Reihen hin und zurück, und er zog einen Schweif aus Feuer hinter sich her. Dann kam ein Blitz vom Himmel, und ich sah, wie hinter mir die Erde mit Leichen übersät war. Einen bemerkte ich besonders, einen Mann in einem roten Umhang, der tot dalag. Dann kam ein Donnerschlag und eine Finsternis voller Feuer, und ich wandte mich ab, weil ich Angst hatte. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, wie ein Mann dort stand, und er packte mich am Arm. Es war der Sänger des Kaisers, Taliesien - als der Kaiser den Purpur nahm, da habe ich in seiner Armee gekämpft, deshalb erkannte ich den Mann. Aber im Traum trug er einen Stern auf seiner Stirn, und er war der einzige in meinem ganzen Traum, der mich sah. Er sagte: >Erinnere dich an diese Dinge, Sion ap Rhys, und hab keine Angst. Wenn sie auch schrecklich sind, dir werden sie nicht schaden. Hab Glauben.< Also neigte ich den Kopf, und alles wurde dunkel. Und dann« - Sion holte tief Atem - »dann wachte ich auf.« Er zuckte die Achseln. »Aber alles war still, und du schliefst.«
Der Händler lachte über die ganze Sache, und Sion runzelte die Stirn.
»Träume sind seltsam, das ist sicher«, sagte der Bauer, der schon vorher etwas gesagt hatte. »Aber dieser Traum, der hat keinen Kopf und kein Hinterteil. Ich habe noch nie von einem gehört, der in seinen Träumen gegen Teufel kämpft. Aber ein Traum über den Pendragon, der ist deutlich genug. Das Gewitter, das müßten die Sachsen sein. Ich konnte nur nicht feststellen, was sie in deinem Traum machten.«
»Es ist alles Blödsinn«, wiederholte der Händler. »Obwohl du uns mit deiner Geschichte ganz schön gefesselt hast. Ein Mann kann sich doch nicht um Träume kümmern. Ich hab’ mal einen Idioten gekannt, der.«
Sion stand abrupt auf. »Ich glaube, ich gehe jetzt in die Kapelle und bete.«
»Ja«, sagte einer der anderen Bauern. »Zünde eine Kerze an, und vielleicht kannst du die Mönche eine Messe singen lassen. Das mag es vielleicht abwenden.«
»Was abwenden?« fragte der erste Bauer. Der zweite zuckte die Achseln.
»Ich gehe mit dir«, sagte ich zu Sion.
Er warf mir noch einen seiner ruhigen Blicke zu, und dann nickte er zufrieden. Die anderen schauten mich unruhig an, schüttelten die Köp-fe. Einer bekreuzigte sich. Als wir die Bauern verließen, begannen sie flüsternd zu reden, während der Händler die Geschichte noch einmal zusammenzufassen versuchte.
In der Kapelle war ein Mönch, der die ausgebrannten Kerzen ersetzte. Sion übersah ihn und kniete vor dem Altar nieder. Er machte das Zeichen des Kreuzes und begann, ein lateinisches Gebet zu murmeln. Ich kniete mich ein Stückchen hinter ihm nieder und überlegte. Es war in der Tat ein seltsamer Traum. Wie die Bauern hatte ich keine Ahnung davon, was das meiste bedeutete, aber manches war erschreckend deutlich. Sion wirkte kaum wie ein Prophet, aber ich wünschte mir, ich hätte den Traum besser verstehen können.
»Gloria in excelsis deo«, sagte Sion, als ob er irgend etwas rezitierte, ».und Friede auf Erden für alle Menschen, die guten Willens sind.« In dieser Art fuhr er noch ein bißchen fort, dann hielt er inne und starrte schweigend das Kruzifix an. Ich wünschte mir, ich könnte seine Religion besser verstehen. Er schien dem Licht zu huldigen, und ich wußte nicht, wie ich das tun mußte. Ich wußte nur genug, um die Gerüchte und die seltsamen Geschichten, die sich um diesen Glauben rankten, nicht mehr ernst zu nehmen, die Geschichten von Kannibalismus und unnatürlichen Orgien, die wir im Haus der Knaben des langen und breiten gehört hatten. Es wäre tröstlich gewesen, wenn ich ein paar schöne Worte wie Sions Worte meinem Herrn hätte sagen können, jetzt, nach dem Sieg der vergangenen Nacht und nach diesem Traum.
Da ich nicht wußte, was ich sagen sollte, zog ich wieder mein Schwert und berührte damit vor mir den Boden, eine Hand auf jede Seite des Handschutzes gelegt. Wieder spürte ich, plötzlich stärker als je zuvor, dieses tiefe, stille
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