Der Falke des Lichts
Überraschung, und ich zügelte und drehte mein Tier schnell um. Ich senkte meinen Speer, um Agravain zu bedrohen.
Einen Augenblick lang lag er still, dann erhob er sich langsam, rieb sich die Schulter und sah mich in finsterer Verwirrung an. Ich kam wieder zu mir und starrte zurück, zuerst auf Agravain, dann über sein Pferd hinweg, das jetzt an dem dichten Gras zu knabbern begann. Ich konnte nicht verstehen, was passiert war.
»Wir versuchen es noch einmal«, sagte Agravain laut, »und zwar jetzt.«
»Das war Zufall«, sagte ich. »Ich könnte es nicht noch einmal tun. Ich weiß, du bist der Bessere von uns beiden, Agravain.« Natürlich war er das, denn der Kampf, das war ja seine Welt.
»Wir tun es noch einmal, verdammt!« schrie Agravain. Er ging hinüber zu seinem Pferd, saß wieder auf, riß wüst am Zügel und ritt hinüber auf die andere Seite des Kreises.
»Cei«, sagte einer der Krieger, »gilt die Wette noch?«
»Wenn du willst«, sagte Cei.
»Schön. Ich hab’ auch Armreifen.«
Agravain senkte den Speer. Er begann wieder, um den Kreis herumzutraben. Ich tat das gleiche und wartete darauf, bis er sein Pferd fast rückwärts wandte, umschwenkte und auf mich zukam. Diesmal nahm ich die Zügel plötzlich zurück, während wir uns einander näherten, und brachte Bedwyrs Pferd nach ein paar Schritten rückwärts zum Halten.
Wieder zog sich alles um uns zusammen, und ich spürte noch deutlicher die wilde Leichtigkeit in meinem Innern. Agravain war fast neben mir, und sein Speer, der auf meinen linken Oberschenkel zielte, war dicht dran. Ich schlug ihn mit dem Schild beiseite, wendete mein Pferd und kombinierte das Gewicht des Tieres mit meinem Gewicht hinter dem Speer, den ich in Agravains Seite sausen ließ. Wieder stürzte er; wieder rannte sein Pferd weiter, diesmal in den Kreis der Krieger hinein, wo es eingefangen wurde.
Agravain erhob sich. Er machte jetzt kein finsteres Gesicht mehr, sondern er starrte mich in völliger Verwirrung an, wie ein Mann, der die Sonne im Westen aufgehen sieht. Der Wahnsinn war noch über mir, und ich wollte nicht sprechen. Deshalb saß ich still und unbeweglich, den Speer bereit, und wartete.
Agravain ging hinüber zu seinem Pferd, saß wieder auf und senkte den Speer. Ich ritt zum gegenüberliegenden Ende des Kreises und nickte.
Diesmal kam er sofort auf mich los, in vollem Galopp. Ich schleuderte meinen Speer mit der stumpfen Seite nach vorn, während er herankam, ritt dann weiter und zog Caledvwlch.
Der Speer traf seine Kehle und glitt ab, aber Agravain würde mit Sicherheit einen blauen Fleck haben. Hätte ich den Speer mit der Spitze nach vorn geschleudert, er wäre tot gewesen. Fast stürzte er, als ich ihn traf, aber er riß sich noch rechtzeitig zusammen und hielt seinen Speer gerade. Während wir auf gleiche Höhe kamen, hätte sein Stoß mich durch die Rippen rechts von meinem Schild getroffen, hätte er mich überhaupt berührt - aber ich hackte mit Caledvwlch nach dem Schaft, und der Speer brach durch. Die Zeit gefror. Ich hob das Schwert, noch ehe Agravains Pferd einen weiteren Schritt tun konnte. Das Licht brannte in der Klinge, und ich war erfüllt von einer Kraft, die kaum meine eigene sein konnte. Die Welt sah aus, als ob sie in leuchtenden Stahl geätzt gewesen wäre. Ich ließ alle Kraft in meinen Arm fallen, als ich Agravain mit der flachen Seite des Schwertes schlug. Er stürzte ins Gras. Sein Pferd stolperte langsam an mir vorüber. Er rollte herum und lag still. Ein lastendes Schweigen entstand.
Mein Kopf war wieder ein bißchen klarer, und ich steckte das Schwert in die Scheide. Noch immer lag Agravain bewegungslos da. Der Rest des Wahnsinns verschwand aus mir, und ich saß hastig ab. »Agravain!« Er bewegte sich nicht. Ich rannte zu ihm hinüber. Beim Licht, wie hart hatte ich ihn wohl geschlagen? »Agravain?«
Er schüttelte betäubt den Kopf, dann stemmte er sich mühsam auf die Knie, hielt seinen Arm umklammert, wo ich ihn getroffen hatte. Er starrte mich an. Sein Gesicht war weiß und von Schweißperlen übersät. Er kam mühsam auf die Füße und starrte noch immer. »Lieber Gott«, sagte er ganz langsam, und jedes Wort fiel in den Ring des Schweigens, den die Zuschauer bildeten. »Was ist aus dir geworden?«
»Ich hab’ doch gesagt, du unterschätzt deinen Bruder«, Bedwyr kam nach vorn, noch immer ruhig und unerschüttert. »Ich glaube, du wirst einen Platz bei Artus finden, Gawain ap Lot.«
»Aber das Schwert!« sagte Cei.
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