Der Falke des Lichts
behindert durch seine Einarmigkeit. Er wollte eben aufsitzen, hielt dann inne, schaute mich wieder an und ergriff mich am Arm.
»Gawain, es tut mir leid«, sagte er.
»Ich bin derjenige, dem es leid tun sollte. Wirklich, ich wollte dich nicht so hart treffen.«
»Das meine ich nicht.« Er sprach plötzlich wieder irisch. »Mir tut leid, daß ich dir das Wort >Lügner< ins Gesicht geschleudert habe. Aber dein ganzes Leben lang habe ich dich ja mit Schimpfworten beworfen, um dich zum Kämpfen zu provozieren, und dann habe ich dich zusammengeschlagen, damit ich mich besser fühlte. Und ich habe so getan, als ob ich dir in den Künsten des Krieges helfen wollte, während ich dich dafür ruiniert habe. Selbst mir habe ich vorgemacht, es wäre großzügig von mir und zu deinem Nutzen. - Sag nichts. Ich weiß, daß es stimmt. Nachdem ich hier als Geisel lebte, ist es mir klargeworden, als ich nicht länger der Erstgeborene und der Anführer bei allem war und als ich einsah, daß Kampf hoffnungslos war, und als ich trotzdem kämpfen wollte. Als sie mir dann sagten, du wärst tot und als ganz Britannien meinte: >Ein Zauberer weniger<, da hab’ ich verstanden. Da hab’ ich mir selbst auch den Tod gewünscht. Ich erinnerte mich daran, wie du mich einmal nach einem Kampf angesehen hast, und ich wußte, es war eine große Schweinerei gewesen, einen Bruder derartig zu demütigen. Und ich hatte es getan, und anschließend war ich jagen gegangen. Hör zu, vielleicht kann ich es nicht wiedergutmachen, aber es tut mir wirklich leid.«
Ich packte ihn an den Schultern. »Mein Bruder, ich habe gesagt, daß ich damals dumm war und daß ich mir die Dinge viel zu sehr zu Herzen genommen habe. Wenn ich in der Lage gewesen wäre, dich anzulachen. Aber das ist jetzt vorbei. Vergiß das Ganze.«
Er umarmte mich. Ich spürte, wie seine Brust zuckte, und ich begriff, daß er weinte. Ich weinte auch. »Von jetzt an, Gawain«, murmelte Agravain, »von jetzt an wird alles anders.« Er ließ mich los und schaute mich ernst an. »Ich will von dir prahlen, ehe ich von mir selbst prahle. Von jetzt an wird es nur noch Siege geben.«
Ich konnte nichts sagen, und er fuhr fort: »Nur Siege, Gawain. Vergiß alles, was ich je über deine Fähigkeiten als Krieger gesagt habe. Du wirst ein großer Krieger werden, ein Mann, über den sie Lieder machen.« Er schaute die Straße hinauf und fügte hinzu: »Sie reiten langsamer, unseretwegen. Aber sie lassen uns trotzdem zurück. Komm, hilf mir aufs Pferd. Mein Arm ist noch immer taub.«
Als der Karren wieder stoßend und schwankend die Straße hinunterrollte und als Sions kleine Stute energisch trabte, um die anderen einzuholen, fiel Agravain hinter mir zurück. Ich verstand sehr gut, warum er das tat. Er wollte allein sein mit seinen Gedanken, wie ich mit meinen, und nachdem solche Worte gerade zwischen uns gewechselt worden waren, hatten wir einander sowieso lange Zeit nichts mehr zu sag en .
Ich wußte nicht, was ich denken oder fühlen sollte. Ich hatte Agravain geschlagen, Agravain hatte die Vergangenheit vor mir bereut. Ich hatte Agravain geschlagen, und er hatte gesagt, ich würde ein großer Krieger werden. Früher einmal war das der Höhepunkt meiner Träume gewesen, aber diese Träume hatte ich für die Finsternis aufgegeben, und ich hätte nie geglaubt, daß sie je in Reichweite kommen könnten. Ich hatte den Wunsch, den Karren umzuwenden und von Camlann wegzufahren, so schnell das Pferd galoppieren konnte.
Ich schaute auf das abgenutzte Leder der Zügel, das dunkel war von langem Gebrauch. Meine Hände krampften sich um die Lederriemen. Ich hatte geschworen, daß diese Hände dem Licht dienen sollten. Was hatte Bedwyr über das Licht gesagt? Alle anderen Lichter oder Götter waren nur in ihm zu erkennen. Und ich hatte schon gesehen, daß das Licht tun konnte, was immer es wollte, selbst unter den Sachsen. Mit Sicherheit brauchte er, das Licht, meine Hilfe nicht. Er hätte mir auch Caledvwlch nicht geben oder mich nach Britannien schicken müssen. Agravain hatte mich gefragt, »Warum?«, als ich von Morgas sprach, und ich wußte, er wollte nicht nur wissen, warum sie haßte, sondern auch, warum sie da war, um zu hassen, und ich konnte es ihm nicht sagen. Wenn das Licht Artus gegen Morgas’ stärkste Bannsprüche schützte, wenn es mich vor ihr erretten konnte, dann konnte es mit Sicherheit auch die Erde von der Finsternis befreien. Mein Herr, das Licht, brauchte weder mich noch irgendeinen
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