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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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verabscheute ihn ebenso sehr wie er den König haßte.
    Abu, der den Wagen fuhr, lenkte die Pferde hinter die monumentalen Säulen des Tores. Je mehr sie sich dem Tempel näherten, um so mehr Priester trafen sie – reich gekleidet in edelstem weißen Leinen und mit Elektrum und Edelsteinen geschmückt. Diejenigen von höherem Rang, meist Edelleute in glitzernden, mit Juwelen verzierten Gewändern, schritten mit Hilfe einiger fächertragenden Diener einher. Und durch die zahlreichen Prunkzüge wandelten selbstvergessen die einfachen Priester, die Reinen, die die täglichen Angelegenheiten im Tempel verrichteten, wie etwa die Bürokratie mit Nahrung zu versorgen und Knaben in der Tempelschule zu unterrichten.
    Abu überließ den Wagen der Obhut der Tempelwachen, die sie gegrüßt hatten und Ihnen unter Ehrenbezeugungen den Zugang gewährten. Im Inneren der Tempelmauern umging Meren den Tempel des Khons, des Sohns Amuns, und überquerte ein paar Höfe, die zu einem langgezogenen Gebäude mit gewölbtem Dach am Ende des heiligen Sees führten. Hinter dem See befand sich das Tempelgebäude selbst, verhüllt durch einen schützenden Vorhang aus Stein und Edelmetallen. Meren ging an den Wachposten vorbei, die zu beiden Seiten der Schatzkammertüren standen und betrat die Vorhalle des Gebäudes. Gerade wollte er Abu den Befehl geben, nach dem Priester zu suchen, den sie sprechen wollten, als er hörte, wie aus den Schatten einer Nische, in der eine Statue des Königsvaters, Amenhoteps des Großen stand, leise sein Name gerufen wurde.
    »Meren, lieber Vetter. Du solltest wirklich nicht hier sein.« Es war immer das gleiche. Er wandte sich ruckartig um und hatte das Gefühl, in einen polierten Bronzespiegel zu schauen. Er stand einem Mann gegenüber, der eher einem Krieger als einem Priester ähnelte – er war groß, schlank und hatte muskulöse Schultern und Beine, als ob er die meiste Zeit mit Leibesübungen statt beim Gebet verbrachte. Er trug ein Überkleid aus fein gesponnenem Leinen, das über seinen Schultern in Falten gelegt war und bis zu seinen Fußknöcheln hinabreichte. Um seinen Hals trug er ein schweres, viereckiges Halsband mit einem viereckigen Anhänger, auf dem das Abbild des Amun in mit Türkisen besetztem Elektrum zu sehen war. Die schweren Gelenkbänder aus dem gleichen Material paßten zu seinen Fußgelenkbändern.
    »Sei gegrüßt, Ebana.«
    Sein Vetter lehnte an einer Wand der Nische und schenkte ihm unter seiner langen, kunstvoll geflochtenen Perücke ein priesterliches Lächeln. Meren war dort gewesen, als Ebana begonnen hatte, sich in priesterlichem Verhalten zu üben. Er war elf gewesen, und sein Cousin war gerade ein Jahr älter. Er warf Abu einen Blick zu, der diesen veranlaßte zu verschwinden und sich auf die Suche nach dem Reinen zu machen. Meren ging auf Ebana zu, der sich nicht bewegte.
    Als er so nah stand, daß niemand sie belauschen konnte, sagte er: »Ich habe dich bei Hof nicht gesehen.«
    Ebana blickte für einige Augenblicke ruhig in Merens Gesicht. »Ich glaubte, daß unsere Ähnlichkeit mit den Jahren verschwinden würde, aber wir sehen immer noch aus, als stammten wir aus dem gleichen Schoß.«
    »Die Menschen kennen unsere Unterschiede.«
    »Beim guten Gott Amun, gibt es Unterschiede?« Ebana wandte seinen Kopf, so daß Meren die Narbe, die von seinen Schläfen, über seine Wange und seinen Hals hinunterlief, deutlicher erkennen konnte.
    Meren schüttelte den Kopf. »Ich habe in jener Nacht versucht, dich zu warnen.«
    »Das behauptest du, aber immerhin hetzte mir Echnaton seine Häscher auf den Leib, während ich schlafend im Bett lag.«
    »Wir haben diese fruchtlose Diskussion schon so häufig geführt«, sagte Meren. Er seufzte und streckte bittend die Hände aus. »Ich habe auf mein Ka geschworen. Ich habe dich gebeten, mir zu glauben. Warum kannst du nicht – «
    »Warum ich dir nicht glauben kann?« Ebana stieß sich von der Wand weg und näherte sich Merens Gesicht. »Beim Blut der Götter, Vetter. Vielleicht deshalb, weil ich meine Frau und meinen Sohn an jenem Abend sterben sah. Kein unbedeutender Grund. Vielleicht auch, weil ich einige endlose Nächte mit gebrochenen Rippen verbrachte. Nein, ich hab’s. Ich kann dir nicht glauben, weil ich dumm bin. Ja, das ist es.«
    Meren legte seine Hände auf die Falten von Ebanas Gewand, dort, wo sie seine Brust kreuzten und schob ihn sanft fort.
    Ebana gestatte ihm, ihn fortzuschieben, aber als er die Arme verschränkte und

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