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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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versunken sagte: »Das Herz, der Sitz des Verstandes und des Gefühls. Dieses Amulett muß während der rituellen Reinigung und des Einbalsamierens auf dem Körper plaziert sein, um das Herz zu schützen, damit es später auf der Waage der Götter gegen die Feder der Wahrheit gewogen werden kann. Anubis steht daneben, um für ein gerechtes Urteil zu sorgen. Ich habe mich häufig gefragt, wie so viele von uns, die so beladen sind mit Sünde, dieses Tribunal jemals überstehen werden.«
    Meren bewegte sich auf dem Schemel. »Bitte, Nebi.«
    »Ja, Herr.« Der alte Mann gab Meren das Amulett zurück. »Der Stein ist außerordentlich wertvoll, er stammt wahrscheinlich von einem großen Stein aus der östlichen Wüste. Solche großen Steine sind ebenso selten wie die reine blutrote Farbe. Raneb mag viele Amulette sehen, aber er betrachtet sie offensichtlich nicht so, wie ein Künstler es tut.«
    »Nun, sie haben dort Kästen, die randvoll mit solchen Amuletten sind.«
    »Mag sein, Herr. Aber dieser Karnel besitzt eine Qualität, die ich nur bei einem Amulett erwarten würde, das für einen Adeligen oder einen Fürsten bestimmt ist, oder – «
    »Oder für einen König?«
    Nebi neigte den Kopf. »Ich bin ein Neshdy, ich arbeite mit kostbaren Steinen.« Nebi deutete auf das Amulett in Merens Hand. »Dies ist das Amulett eines Fürsten.«
    »Ich habe befürchtet, daß Ihr das sagt.«
    »Es ist nicht durchstochen«, fuhr Nebi fort. »Deshalb ist es nicht als Anhänger für eine Halskette gedacht. Es ist auf beiden Seiten wohlgeformt, also ist es nicht für eine Einlegearbeit bestimmt gewesen. Ich würde sagen, daß es auf einen Leichnam zwischen die Bandagen über dem Herzen gelegt werden sollte.«
    »Wenn also dieses Amulett aus dem Tempel des Anubis stammt, dann wäre es in der dortigen Schatzkammer im Tempel und nicht in den Balsamierungswerkstätten aufbewahrt worden.«
    »Ja, Herr. Aber natürlich kann auch jemand einen Fehler gemacht und ihn bei den weniger kostbaren Steinen aufbewahrt haben. Sie scheinen solche Amulette als selbstverständlich zu betrachten, die Balsamierpriester.«
    Meren erhob sich und half auch Nebi, sich von seinem Stuhl zu erheben. Sie gingen aus der Werkstatt hinaus und kehrten in den lärmenden Vorhof zurück. Feuereisen surrten und Blasebälge zischten, während die Gehilfen Luft hineinbliesen, um das Feuer in den Ofen und Kohlenfaden zu schüren. Meren verabschiedete sich von Nebi und kehrte zu seinem Wagen zurück. Abu erwartete ihn, doch er stand da und liebkoste die Nase seines Vollblüters, während er nachdachte.
    Ein weiterer Gegenstand von großem Wert, dieses Herzamulett. Gehörte es Hormin oder stammte es aus dem Tempel des Anubis? Er gab sich selbst gegenüber nur zögerlich zu, daß er es vielleicht niemals wissen würde. Hormin war wohlhabend gewesen, in der Hauptsache, weil er Besitztümer gehortet hatte und zweifellos geheime Winkelzüge kannte, um sich mehr als den ihm von Rechts wegen zustehenden Anteil am Wohlstand zu sichern. Der Schreiber hatte das breite Halsband besessen. Aber er durfte nicht den Fehler machen anzunehmen, daß ihm auch die Salbe und das Herzamulett gehört hatten.
    »Abu, wir gehen in die Schatzkammer des Gottes Amun.«
    Meren warf einen Blick auf die Sonne. Sie hatte ihren Zenit bereits überschritten und ging nun schnell unter. »Wen trefft Ihr in der Schatzkammer?«
    »Einen niederen Reinen, Herr.«
    »Das ist gut. In diesem Ameisenhügel wissen die Mächtigen nichts von unserem Hormin. Und sie wären auch nicht dazu bereit, eine Aussage zu machen, wenn sie Bescheid wüßten.«
    Er segelte auf der königlichen Fähre über den Fluß, seinen Wagen nahm er mit. Bald fuhr er den großen Prozessionsweg hinunter, der von widderköpfigen Sphinxen gesäumt war. Die großen Tore ragten hoch hinauf und ließen sogar die größten Tempel geringerer Götter zusammenschrumpfen. Obelisken, die mit Gold und Elektrum überzogen waren, glühten im Sonnenlicht. Etliche Priester und Tempeldiener, Bittsteller und Würdenträger machten ihm Platz.
    Meren beugte den Kopf nach hinten, bis er die Fahnenmasten sehen konnte, an denen kleine Banner schlaff in der Stille des scheidenden Tages hingen. Er war nicht allzu häufig im Tempel des Amun gewesen seit der Hof aus der Hauptstadt des Ketzers zurückgekehrt war. Jedesmal wenn er es tat, hatte er das Gefühl, besser seine Rüstung anzulegen und nach Kobras in den dunklen Ecken Ausschau zu halten. Der Hohepriester des Amun

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