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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Wallfahrtsort für die Gläubigen. Damals war Manvare noch zersplittert, und Kriegsherren kontrollierten das Land, und einer von ihnen plante, die Hohepriesterin der Isaeth als Unterpfand zu nehmen, um sie zu zwingen, seine Herrschaft zu bestätigen. Der Legende nach schickte die Göttin ihrer Priesterin einen Falken, um sie zu warnen. Als der Kriegsfürst eintraf, fand er sich einem Tempel gegenüber, dessen Tore fest verschlossen waren – und der damaligen Hohepriesterin mit dem Falken auf ihrer Schulter, die ihn darüber in Kenntnis setzte, dass die Truppen seines Erzrivalen bereits auf dem Weg waren, um ihn zu schlagen. Wutentbrannt stürzte sich der Kriegsherr auf die Priesterin, doch der Falke warf sich dem Mann entgegen, fing den für die Priesterin gedachten Schwertstreich mit seinem Körper ab und schlug, sterbend, dem Kriegsherrn seine Krallen so tief ins Auge, dass dieser geblendet wurde und zu Tode kam.«
    Lorentha erinnerte sich daran, wie ihre Mutter davon gesprochen hatte, von der Verzweiflung, die diese Priesterin empfunden hatte, von dem Mut, den sie gebraucht hatte, um dem Kriegsherrn entgegenzutreten, was es brauchte, um so zu glauben ! Es war eine der Geschichten, die sie als Kind immer zutiefst bewegt hatten, doch so, wie der Graf davon sprach, waren es nur staubige Seiten zwischen alten Aktendeckeln.
    »Ich kenne die Geschichte«, stellte Lorentha unbewegt fest. »Was hat dies alles mit mir zu tun?«
    »In vier Wochen jährt sich der Tag der Hochzeit zwischen Prinz Pladis und Prinzessin Armeth und damit auch die Übergabe der Stadt an das Kaiserreich zum zweihundertsten Mal. Ein Tag, der die Geschicke eines jeden, der hier lebt, entscheidend prägte. Ihr könnt Euch denken, dass dieser Tag für jeden in der Stadt wichtig ist, und man wird ihn, wie jedes Jahr, mit einem Umzug und einem Fest feiern. In diesem Umzug wird der Falke von Aryn in einer feierlichen Prozession durch die Straßen der Stadt getragen, unten am Marktplatz und auch vor dem Palast wird man schöne Reden halten und die Menschen daran erinnern, dass dies der Tag war, an dem die Blütezeit der Stadt eingeläutet wurde.«
    »Blütezeit?«, fragte sie und hob wieder eine Augenbraue. »Ich dachte, man hätte sich gegen den Kaiser erhoben?«
    »Das war damals«, winkte Mergton gelassen ab. »Indem der Kaiser der Stadt die Zölle erlassen hat, ist Aryn mittlerweile eine der reichsten Städte des Kaiserreichs … und die Manvaren verdienen daran kräftig mit. Für den Prinzen und seine Prinzessin ist es eine tragische Geschichte gewesen, nicht umsonst erhielt der Kaiser später den Beinamen »der Schwermütige«, doch für das Kaiserreich und Manvare hat es sich als ein Glücksfall herausgestellt, auch wenn es noch einige Dickschädel gibt, die davon träumen, dass Aryn wieder an Manvare fällt.« Er schnaubte abfällig. »Wenn wir heute Aryn an König Hamil übergäben, würde der nur höflich Danke sagen und uns die Stadt gleich wieder in die Hand drücken, denn ohne die Zollfreiheit würde Aryn in der Bedeutungslosigkeit versinken.«
    »Dann ist doch alles bestens«, stellte Lorentha ungerührt fest.
    »Nicht ganz«, meinte Mergton kalt. »Falken sind für die Manvaren heilig, sie sind für sie die Boten der Göttin. Der goldene Falke, den Prinz Pladis damals für Prinzessin Armeth anfertigen ließ, gilt allgemein als der Grund dafür, weshalb die Hohepriesterin der Göttin seinerzeit der Vermählung des Prinzenpaars zustimmte. Wenn er in der Prozession durch die Straßen der Stadt getragen wird, erinnert er jeden hier daran, dass damals nicht nur die Hochzeit, sondern auch die Übergabe der Stadt mit Isaeths Segen stattfand.« Mergton lehnte sich zurück und zog ein Tuch heraus, mit dem er seine Stirn abtupfte. »Der andere Teil der Botschaft ist der, dass sich jeder, der die kaiserliche Herrschaft über Aryn anzweifeln will, damit zugleich auch gegen den Willen der Göttin stellen würde.«
    Sie pfiff leise durch die Zähne. »Pladis war gerissener, als ich dachte«, meinte sie dann anerkennend. »Wo ist der Haken?«
    »Kein Haken«, sagte er. »Niemand, der noch klar bei Verstand ist, würde am gegenwärtigen Zustand etwas ändern wollen. Es verdienen zu viele zu gut daran. Es gibt nur ein kleines Problem.«
    »Und welches?«, fragte sie. Vielleicht kam er jetzt endlich zum Punkt, ihre Geduld war schon lange ausgeschöpft.
    »Der Falke wurde aus dem Tempel der Isaeth gestohlen.«
    »Ah«, sagte sie. »Wir kommen der Sache

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