Der Falke von Aryn
geeilt, bis man ihr das Kommando über die Garda der Hauptstadt übertragen hatte. Doch dann, nach dem feigen Mord an ihm, hatte es sich sehr schnell gezeigt, welcher Neid, welche Missgunst sich vor seinem strahlenden Licht versteckt hatte, und wäre sie klug gewesen, dachte sie jetzt, hätte sie damals schon ihren Abschied genommen. Doch sie war besessen davon gewesen, den Mord an dem zweitmächtigsten Mann des Kaiserreichs aufzuklären, getrieben davon, den Mörder ihres Mentors zu stellen und ihn hängen zu sehen.
Doch mittlerweile hatte sie einsehen müssen, dass es zu viele gegeben hatte, die dem Herzog Übles wollten, die es nicht hatten dulden wollen, dass sein Glanz sie alle überstrahlte. Von einem Herzriss sprach man, dachte sie jetzt bitter, und man hatte es ihr mehr als deutlich gemacht, dass auch sie nicht anders davon sprechen sollte.
Herzog Albrecht war eine überlebensgroße Gestalt gewesen, ein robuster Mann mit einem schallenden Lachen, der nichts ernst zu nehmen schien und gar nicht bemerkte, wie sich gewöhnliche Sterbliche um das mühten, was ihm mit Leichtigkeit gelang. Hinter der Maske von Ehrerbietung und Unterwürfigkeit waren ihm Neid und Missgunst auf dem Fuß gefolgt, ohne dass er es je bemerkte, und zum Schluss hatte sein Stern so hell geleuchtet, dass sich Lorentha in dunklen Momenten wie diesen sogar fragte, ob er nicht selbst für Kaiser Heinrich zu hell gewesen war.
Doch jetzt, als sie sich straffte und das Kinn anhob, war der Majorin von diesen düsteren Gedanken wenig anzusehen. Sie rückte ihr Schwert zurecht und zog einen Riemen gerade, um, kaum dass die Planke ausgebracht war, an Land zu gehen. Das schmale Holz wippte unter ihrem Gewicht, oft genug hatten andere darauf ihr Gleichgewicht verloren und Bekanntschaft mit dem Wasser gemacht, sie jedoch schien keinen Gedanken daran zu verschwenden.
Der Diener, dem man aufgetragen hatte, auf sie zu warten, schluckte, als er sie näher kommen sah. »Er wird sie leicht erkennen können«, hatte ihm der Sekretär gesagt, als er ihm die Order für die Majorin in die Hand gedrückt hatte. »Sie ist eine große Frau und wird die lederne Rüstung der Garda tragen.«
Groß war untertrieben, dachte der Diener, als er nun staunend zu ihr aufsah, sie mochte fast sechs Fuß erreichen! Mit ihrem scharf gezeichneten Gesicht, den festen blonden Haaren, welche sie achtlos zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, und den dunkelgrünen Augen einer Katze sah sie für ihn verwegen aus. Fast wäre er sogar vor ihr zurückgewichen, doch dann trat sie vor ihn, um ihm eine Hand in festem Handschuh entgegenzuhalten.
»Major Sarnesse«, stellte sie sich ihm mit einer dunklen Stimme vor. »Hat Er Nachricht für mich?«
»Ja«, sagte der Mann und schaute blinzelnd zu ihr hoch, als er ihr die Nachricht reichte. »Von Seiner Exzellenz dem Gouverneur. Er …«
Sie hob die Hand, und eingeschüchtert hielt er inne. »Ich kann es mir denken«, meinte sie müde, während sie das Siegel brach und die kurze Nachricht überflog. Es war leicht zu erkennen, wie wenig ihr gefiel, was sie da las, ihre Wangenmuskeln mahlten, dann schaute sie zu ihm. Diesmal wich er doch vor ihr zurück, doch der Zorn in ihren Augen galt nicht ihm. »Es gibt nur eine Seekiste als Gepäck, kümmere Er sich um sie.«
Der Diener nickte hastig und eilte zum Lademeister hin, um ihn zu drängen, diese Kiste noch als Erste auszuladen. Verstohlen sah er zu ihr zurück, doch sie achtete nicht auf ihn, ihr Blick war gen Norden gerichtet, wo in der Ferne, im Mondlicht nur schattenhaft zu erkennen, die hohen Türme des Tempels zu sehen waren.
Wer auch immer es war, dem dieser Zorn galt, dachte der Diener eingeschüchtert, er würde nicht mit ihm tauschen wollen. Aber bevor ihr Blick doch noch einmal auf ihn fiel, erinnerte er sich, sollte er wohl besser darauf achten, dass ihre Kiste nicht einen Kratzer abbekam oder am Ende noch ins Wasser fiel.
Eine erzwungene Audienz
3 Es gab einen Audienzsaal im Palast des Gouverneurs, wenn sie sich recht erinnerte, stand sogar ein Thron darin, aber dorthin führte sie der Diener nicht, vielmehr ging es durch einen langen Gang, von dessen hohen Wänden ihre Schritte widerhallten. Der Mann ging durch eine hohe Tür, die zu einem großen Vorzimmer führte, das jetzt leer und verlassen lag, an zwei Schreibtischen vorbei zu einer anderen hohen Tür, an der er klopfte und die er dann für sie aufzog.
Dieser Raum war überraschend freundlich eingerichtet,
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