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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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schüttelte störrisch den Kopf.
    »Ich war dabei, wie ein Aufstand anfing, und auch, als er ein Ende fand. Die Straßen sind voll von Leuten, sie schreien und laufen voller Angst umher. Die einen haben Äxte, Schwerter, Knüppel, Mistgabeln, alles, was sie greifen können, die anderen versuchen, ihre Habseligkeiten zu retten. Sie tragen keine Uniformen, sie unterscheiden sich nur durch ihre Handlungen, sag mir, wie willst du sie voneinander trennen? Ich habe eine Narbe in meiner Seite, von einem jungen Mädchen, kaum älter als Arin, die um Hilfe schrie, weil ein Haus brannte, doch als ich hinkam und ihr helfen wollte, fielen drei weitere Aufständische über mich her und sie rammte mir ein Messer in die Seite. Ich habe sie erschlagen müssen.«
    »Ihr habt ein Kind erschlagen?«, hauchte Larmeth entsetzt.
    »Ja«, sagte die Majorin kalt. »Wir fanden in dem brennenden Haus die verkohlten Leichen eines kaisertreuen Händlers und seiner Familie. Nur ein kleiner Junge überlebte und berichtete, dass sie versucht hatte, ihn zu erstechen. Sie hatte an die Tür geklopft und um Einlass gebeten, weil sie angeblich Angst vor den Rebellen hatte. Es gibt immer zwei Seiten, Eure Exzellenz. Wenn sie alt genug dafür war, einen Brand zu legen und zu töten, war sie auch alt genug zum Sterben.«
    »Das ist eine harte Ansicht«, meinte die Priesterin leise.
    »Keine Ansicht«, widersprach Lorentha rau. »Es ist eine Lektion, die man lernen muss, will man leben.« Sie sah die beiden Geschwister eindringlich an. »Wir haben mehr Erfahrung im Niederschlagen von Aufständen als andere darin, einen Aufstand anzuzetteln. Wenn man hier in Aryn etwas ändern will, dann jetzt. Vor einem Aufstand. Sie sollten Petitionen einreichen, versuchen, Vorschläge zu machen. Beginnt erst der Aufstand, gibt es nichts mehr zu verhandeln. Niemals. Doch ich habe den Grafen Mergton danach befragt, niemand hat sich in Aryn jemals die Mühe gegeben, eine Bittschrift einzureichen. In meinen Augen sind Aufständische solche, die sich gegen die bestehende Ordnung auflehnen und mit Gewalt das nehmen wollen, was ihnen nicht gehört. Diese drei und das Mädchen, das mich angegriffen hat, in meinen Augen waren sie Mörder. Sonst nichts.«
    »Ich wollte dich nicht so erzürnen«, sagte Raphanael sanft. »Larmeth hat recht, es ist lange her. Und ja, es gibt zwei Seiten, die gibt es immer.«
    Lorentha holte tief Luft. »Ihr missversteht den Grund meiner Verärgerung. Ein Aufstand verwüstet das Leben der Menschen, und ich bin erzürnt, weil jemand dieses Mädchen glauben gemacht hat, es wäre richtig, andere zur ermorden, ein Haus in Brand zu setzen oder ein Kind, jünger noch als sie, zu erdolchen. Weil es immer welche gibt, die von einem Aufstand profitieren!« Sie zwang sich, ruhiger zu werden.
    »Der Preis für einen Aufstand ist immer hoch, ob er nun erfolgreich ist oder nicht. Wenn die Menschen in Verzweiflung leben, ihnen nichts bleibt und sie nichts mehr zu verlieren haben, dann mag ein Aufstand sogar gerechtfertigt sein. Aber schaut euch doch in Aryn um!«, rief die Majorin leidenschaftlich. »Ist es so schlimm, dass die Menschen nichts mehr zu verlieren haben? Ja, es gibt Elend hier, aber den meisten geht es gut genug. Doch die, die in Elend leben, leben nicht in Dreck und Not, weil das Kaiserreich sie unterdrückt, sondern weil ihnen von ihren Landsleuten und Nachbarn nicht geholfen wird!«
    Sie schaute fast schon vorwurfsvoll zu Raphanael hin. »Sag mir, gibt es Adelige an König Hamils Hof, die einen Aufstand hier begrüßen würden?«
    »Ja«, gab er vorsichtig zu. »Den einen oder anderen.«
    »Dann behaupte ich, dass sie keine Not empfinden und es ihnen nicht darum geht, anderen zu helfen. Es geht ihnen um Macht. Um nichts sonst. Es gibt immer jemanden, der denkt, er könne von einem Aufstand profitieren. Meist ist es auch so, aber bezahlen tun andere dafür, ob sie nun auf einem Friedhof in Ehren beigesetzt oder verbrannt, verscharrt oder einfach liegen gelassen werden!«
    »Lorentha«, sagte Raphanael fast schon bittend. »Beruhige dich, wir widersprechen dir doch nicht! Ich sage es jetzt anders, es wäre besser gewesen, wenn unsere Toten ebenfalls in Ehren zu Grabe getragen worden wären und es weniger Tote gegeben hätte.«
    »Ja«, sagte sie ruhiger. »Da will ich dir nicht widersprechen. Es wäre besser gewesen. Aber Ehre und Anstand fliehen aus einem Haus, wenn der Tod die Tür eintritt.«
    Raphanaels Schwester nickte langsam. »Lasst mich noch

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