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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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mussten die Diebe beständig damit rechnen, dass jemand in die Halle kommt, entweder ein Gläubiger oder einer von uns, manche suchen auch abseits der angesetzten Gebete nach dem Frieden der Göttin. Es gab nur eine einzige Gelegenheit, in der all dies zusammenkam. Vor knapp sechs Wochen verstarb Hauptmann Mollmer von der Garda an einem Leberriss.«
    »Ich hörte davon«, sagte Raphanael knapp. »Er hat redlich daran gearbeitet, er soll ein Fass auf zwei Beinen gewesen sein.«
    Larmeth neigte leicht den Kopf. »Ich will nicht über den Mann urteilen. Ich war allerdings überrascht zu hören, dass seine Kameraden dafür zusammengelegt haben, um ihm die letzte Wacht zu ermöglichen …« Sie holte tief Luft. »Nun, es ist immer noch die Garda, und wir haben ihrem Wunsch entsprochen, ihren Kameraden so zu ehren. Also brachten seine Kameraden an Freyas Tag seinen Sarg in den Tempel. Mollmer war ein großer Mann, und sie hatten ihm einen Eichensarg gespendet, acht seiner Kameraden brachten den Sarg in die Halle, wo er vor dem Altar aufgebahrt wurde. Im Lauf des Tages wechselten sie sich mit der großen Wacht ab, dann baten sie für die Nacht um Abgeschiedenheit und Ruhe, um im Gebet verharren zu können, wie es die große Wacht vorschreibt.«
    »Die Halle wird verschlossen«, sagte Raphanael langsam. »Die Kameraden knien um seinen Sarg herum, einer an jeder Ecke des Sargs. Nur eine Kerze brennt, die Seelenkerze, die mitten auf dem Sarg steht und sechs Stunden brennen wird, die letzte Wacht.« Er räusperte sich. »Vater wurde so geehrt …«
    Larmeth nickte. »Ich habe neben dir gekniet, ich habe es nicht vergessen.«
    »Sechs Stunden«, meinte Lorentha leise. »Sie hatten Zeit genug, aus Respekt vor dem Ritual ließ man sie ungestört, und der Sarg war groß und stabil genug, um den Falken dort hineinzulegen. Am nächsten Morgen, am Ende ihrer angeblichen Wacht, trugen sie den Sarg einfach hinaus.«
    »Genauso war es«, sagte Larmeth rau. »Es ist ein großes Ritual, eines, das einem erlauben soll, in Besinnung dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Auch das haben sie missbraucht.« Sie schluckte, und vor Bewegung waren ihre Augen feucht. »Ich weiß, dass unser Glauben bei den Kaiserlichen nicht weit verbreitet ist, aber ihren gefallenen Kameraden so schäbig auszunutzen und unseren Tempel so zu entweihen … ich hätte gehofft, dass auch ein Kaiserlicher davor zurückschrecken würde!«
    »Ja«, sagte Lorentha überraschend sanft. »Ich verstehe, was Ihr meint, aber ich versichere Euch, wir sind nicht alle so.«
    »Das weiß ich«, sagte die Priesterin. »Es bleibt dennoch eine ungeheuerliche Tat.« Sie lächelte ein wenig. »Wir werden den Tempel übermorgen neu weihen, möchtet Ihr vielleicht an der Weihe teilhaben?«
    »Gerne«, sagte Lorentha. »Wenn ich willkommen bin …?«
    »Selbst wenn mein Glauben es nicht gebieten würde, wäret Ihr es«, meinte die Priesterin und schien erstaunt. »Wie könnt Ihr nur fragen?« Sie schaute suchend zu Raphanael hin, der sich rasch räusperte.
    »Sag, weißt du, wo der Hauptmann verbrannt wurde?«
    Nach dem Vertrag von Aryn endete kaiserlicher Boden an den Schwellen der drei Stadttore. Die meisten Friedhöfe der Stadt waren außerhalb gelegen, deshalb war man dazu übergegangen, die Toten zu verbrennen. Lorentha wusste dies, weil man auch so mit ihrer Mutter verfahren war.
    »Gar nicht«, antwortete seine Schwester. »Es gibt einen Totenacker innerhalb der Mauern, das Kaiserfeld, dort, wo die kaiserlichen Soldaten begraben wurden, die während des Aufstands gefallen sind.«
    »Ja«, knurrte Raphanael. »Alle vierzehn. Die fast fünfhundert toten Zivilisten wurden vor der Stadt verbrannt.«
    Lorentha sah überrascht auf, bis jetzt war es ihr nicht so erschienen, als hege er einen Groll gegen die Kaiserlichen.
    »Warum bist du erzürnt?«, fragte sie ihn. »Es war ein Aufstand, und das Kaiserreich verhandelt nicht mit Aufständischen. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und die Toten so schnell wie möglich verbrannt, alleine schon, um Krankheiten vorzubeugen. Das ist die Vorschrift.«
    »Mag sein«, sagte Raphanael kurz. »Aber nach allem, was ich weiß, gingen die kaiserlichen Marinesoldaten sehr brutal vor und machten keinen großen Unterschied zwischen Aufständischen und Bürgern, die nur am falschen Ort waren.«
    Larmeths Blick wechselte zwischen den beiden hin und her. »Es ist lange her, lassen wir das ruhen«, versuchte sie zu beschwichtigen, doch Lorentha

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