Der Falke von Aryn
sagen, dass ich Eure Leidenschaft verstehe und ich Eurer Meinung bin. Wollen wir das jetzt so ruhen lassen und uns um den Falken kümmern?«
Lorentha nickte.
»Gut«, sagte die Priesterin mit einem schwachen Lächeln. »Zurück zu dem toten Hauptmann. Auf dem Kaiserfeld wird man nicht einfach so begraben, es braucht eine Petition an den Gouverneur dazu. Dreimal lehnte Graf Mergton diese ab, ließ sich dann aber doch erweichen. Einer unserer Priester begleitete den Sarg zum Kaiserfeld, und er wiederum ist bereit, auf die Göttin zu schwören, dass er den Sarg des Hauptmanns nicht aus den Augen verlor, bis er in der Erde begraben wurde.«
»Also wurde der Falke mit begraben«, stellte Raphanael fest. »Haben die Diebe ihn dann in der Nacht ausgegraben?«
»Nein«, sagte seine Schwester und schüttelte den Kopf. »Es gibt einen Totenwächter auf dem Kaiserfeld, ein alter Veteran, und der wiederum behauptet, dass die letzte Ruhe des Hauptmanns seitdem nicht gestört wurde. Demzufolge müsste sich der Falke noch immer in dem Sarg befinden.«
»Also müssten wir ihn nur ausgraben, und wir haben zumindest den Falken wieder?«, fragte Lorentha ungläubig. »Ihr glaubt doch nicht, dass der Falke sich noch dort befindet?«
»Der Totenwächter sagt, das Grab wurde nicht angerührt«, wiederholte die Priesterin, doch Lorentha schüttelte den Kopf.
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das festzustellen.«
»Die Totenruhe ist heilig«, sagte die Priesterin unbehaglich. »Ich würde mir schwertun, einer Ausgrabung zuzustimmen. Doch da Mollmer auf dem Kaiserfeld begraben wurde, ist es Graf Mergton, der in dieser Angelegenheit das letzte Sagen hat. Ich habe noch am Morgen angefragt und erhielt, höflich und in gesetzten Worten, die Antwort, dass es eine schwierige Entscheidung wäre und er darüber in sich gehen müsste.«
»Das verstehe ich nicht«, meinte Lorentha überrascht. »Wenn wir den Falken wiederbekommen, ist ein Aufstand unwahrscheinlicher. Warum zögert der Graf?«
»Man würde es ihm vorwerfen«, sagte Raphanael bitter. »Deshalb. Der Gouverneur sitzt mit fast allem, das er tut, auf einem Zaun, und oftmals werfen beide Seiten mit Steinen nach ihm. Dass auf Bitten einer Priesterin der Isaeth ein Mann ausgegraben wird, der auf einem Friedhof liegt, auf dem viele heldenhafte Streiter des Kaiserreichs begraben liegen, wäre eine Entscheidung, die er nur dann erklären könnte, würden wir zugeben, dass der Falke gestohlen wurde.« Raphanael schüttelte enttäuscht den Kopf. »Er sagt, dass er es sich überlegen wird, und wenn wir ihn drängen, wird er es vielleicht erlauben. Aber es besteht die Gefahr, dass er damit auch sein Amt verliert.«
»Bedeutet dies, dass wir nicht überprüfen können, ob der Falke in dem Sarg liegt?«, fragte Lorentha entgeistert.
»Genauso ist es«, sagte Larmeth bedrückt. »Wir kommen nicht an ihn heran. Es sei denn, Graf Mergton nimmt in Kauf, dass er mit der nächsten Order aus der Hauptstadt von seinem Posten abgerufen wird.«
Lorentha seufzte. »Wir müssen es nicht schlimmer machen, als es ist«, sagte sie dann. »Es wäre gut, Gewissheit zu haben, aber der Falke befindet sich mit Sicherheit nicht mehr in dem Grab.«
Raphanael schüttelte den Kopf. »Es geht ihnen doch nur darum, Unruhe zu stiften. Der Falke ist ihnen nicht wichtig, es reicht ihnen, wenn wir ihn nicht haben.«
»Nein«, sagte Lorentha entschieden und schüttelte den Kopf. »Ich sagte schon, es geht bei einem Aufstand meist nicht um Ehre oder Gerechtigkeit, sondern um Geld und Macht.« Sie schaute fragend die Priesterin an. »Wisst ihr, wie viel der Falke wert ist?«
»Abgesehen davon, dass er für uns unbezahlbar ist, kann ich Euch nur sagen, dass der Falke aus solidem Gold besteht und einunddreißig Pfund wiegt.«
»Er ist nicht hohl gegossen?«, fragte Lorentha überrascht.
Die Priesterin schüttelte den Kopf. »Er ist massiv. Zudem ist er mit Juwelen und Edelsteinen besetzt, deren Wert das Gold bei Weitem überwiegen dürfte.«
»Dann befindet sich der Falke bestimmt nicht mehr im Sarg«, meinte Lorentha überzeugt. »Diese vier Gardisten haben ihren Eid gebrochen und einen Tempel geschändet. Diese Männer werden es nicht aus Überzeugung getan haben, sondern für Gold. Ihr wollt mich glauben machen, dass sie ein unermessliches Vermögen einfach so begraben, und dann unternehmen sie keinerlei Anstrengungen, den Schatz für sich zu beanspruchen?«
Raphanael sah sie an und lachte leise. »So gesehen, dann
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