Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
ein, und das letztere erstreckte sich auf alle alten Schriften, die in Providence zu finden waren. Die örtlichen Händler für Drogen und wissenschaftliche Geräte lieferten, als sie später befragt wurden, verblüffend sonderbare und unzusammenhängende Kataloge der Substanzen und Instrumente, die er bei ihnen gekauft hatte; doch die Angestellten im Regierungsgebäude, im Rathaus und in den verschiedenen Bibliotheken äußerten sich einmütig über das unverkennbare Ziel seiner Forschungen auf seinem zweiten Interessengebiet: Er suchte intensiv und fieberhaft nach Joseph Cur-wens Grab, von dessen schiefernem Grabstein eine ältere Generation in weiser Voraussicht den Namen entfernt hatte.
    Ganz allmählich bildete sich in Wards Familie die Überzeugung heraus, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei. Charles hatte zwar auch vorher schon Launen und schwankendes Interesse für bestimmte kleinere Gebiete gezeigt, doch seine wachsende Verschwiegenheit und Beschäftigung mit abseitigen Dingen war selbst bei ihm etwas völlig Neues. Seine Schularbeiten machte er nur, um wenigstens halbwegs den Schein zu wahren, und obwohl er alle Prüfungen bestand, war nicht zu übersehen, daß sein einstiger Lerneifer völlig verflogen war. Er hatte jetzt andere Interessen; und wenn er einmal nicht in seinem Laboratorium mit den Unmengen alter Folianten über Alchimie war, konnte man ihn entweder unten in der Stadt über alten Kirchenbüchern brüten sehen oder in seinem Arbeitszimmer in seine Bücher über dunkle Geheimwissenschaften vergraben finden, wo das Antlitz Joseph Curwens, das ihm so erstaunlich - und man hatte fast den Eindruck, zunehmend - ähnelte, ihn von der Täfelung über dem Kamin an der Nordseite herab unverwandt anstarrte.
    Gegen Ende März ergänzte Ward sein Stöbern in den Archiven noch durch eine unheimliche Serie von Gängen zu den verschiedenen alten Friedhöfen der Stadt. Der Grund wurde später bekannt, als man von Rathausangestellten erfuhr, daß er wahrscheinlich einen wichtigen Hinweis entdeckt habe. Seine Wißbegier hatte sich unvermittelt vom Grab Joseph Curwens auf das eines gewissen Naphtali Field verlagert, und dieser Wechsel wurde verständlich, als man bei Durchsicht der Bücher, mit denen er sich befaßt hatte, tatsächlich eine unvollständige Eintragung über Curwens Begräbnis entdeckte, die der allgemeinen Tilgung entgangen war; sie besagte, daß der sonderbare Bleisarg »10 Fuß s.und 5 Fuß w. vom Grab des Naphtali Field auf dem----« beerdigt worden sei. Die Suche wurde durch die fehlende Angabe über den Friedhof sehr erschwert, und Naphtali Fields Grab schien ebenso unauffindbar wie das des Joseph Curwen; doch in diesem Falle hatte niemand versucht, alle Hinweise zu vernichten, und man konnte mit Recht hoffen, den Grabstein selbst zu finden, selbst wenn alle sonstigen Anhaltspunkte verschwunden waren. Daher diese Friedhofsgänge - von denen der Kirchhof von St. John's (früher King's Church) und der alte Friedhof der freien Gemeinden in der Mitte des Swan Point-Friedhofes ausgeschlossen waren, weil andere Unterlagen ergeben hatten, daß der einzige Naphtali Field (ob. 1729), dessen Grab gemeint sein konnte, Baptist gewesen war.
    4 Es war Mai geworden, als Dr. Willett auf Bitten des älteren Ward und ausgerüstet mit allen Fakten über Curwen, die die Familie in jenen Momenten erfahren hatte, in denen Charles nicht ganz so zugeknöpft gewesen war, mit dem jungen Mann sprach. Die Unterredung führte zu keinem brauchbaren oder schlüssigen Ergebnis, weil Willett in jedem Augenblick spürte, daß Charles vollkommen Herr seiner selbst und mit Dingen von wirklicher Bedeutung in Kontakt war; aber immerhin wurde der junge Mann dadurch gezwungen, eine plausible Erklärung für sein Verhalten in der letzten Zeit abzugeben. Ward war ein farbloser, leidenschaftsloser Typ, der nicht leicht in Verlegenheit zu bringen war, und schien durchaus bereit, über seine Arbeiten zu sprechen, ohne jedoch deren Ziel zu verraten. Er erklärte, die Schriftstücke seines Vorfahren hätten bemerkenswerte Geheimnisse früher Wissenschaften enthalten, größtenteils in Geheimschrift, die offenbar in ihrer Tragweite nur mit den Entdeckungen von Friar und Bacon zu vergleichen seien, ja diese vielleicht sogar noch überträfen. Sie seien jedoch bedeutungslos, wenn man sie nicht zu einem heute völlig veralteten Wissensgebiet in Beziehung setze, so daß sie, würde man sie unverzüglich einer nur mit der modernen

Weitere Kostenlose Bücher