Der Fall Charles Dexter Ward
auf die schrecklichen Abgründe auf der anderen Seite erhaschte:
»Per Adonai Eloim, Adonai Jehova, Adonai Sabaoth, Metraton Ou Agia Methon, verbum pythonicum, mysteriuni salamandrae, cenventus sylvorum, antra gnomorum, daemonia Coeli God, Almonsin, Gibor, Jehosua, Evam, Zariathnatmik, Veni, veni, veni.«
Diesen Spruch hatte Ward zwei Stunden lang unverändert und ohne Unterbrechung rezitiert, als plötzlich in der ganzen Nachbarschaft ein pandämonisches Hundegeheul einsetzte. Das Ausmaß dieses Geheuls mag man daran ermessen, wieviel Raum ihm tags darauf in den Zeitungen gewidmet wurde, aber für die Menschen im Haus der Wards wurde es von dem Geruch überschattet, der sich unmittelbar darauf ausbreitete. Ein widerwärtiger, alles durchdringender Gestank, den keiner von ihnen je zuvor noch jemals danach gerochen hat. Mitten in dieser memphitischen Flut flammte ein Lichtstrahl von der Helligkeit eines Blitzes auf, der höchst eindrucksvoll gewesen wäre und die Augen geblendet hätte, wäre es nicht taghell gewesen; und dann ließ sich die Stimme vernehmen, die keiner von denen, die sie hörten, je vergessen wird, so donnernd laut und doch entfernt, so unglaublich tief und so unheimlich anders als Charles' Stimme war sie. Sie erschütterte das Haus und wurde von mindestens zwei Nachbarn deutlich wahrgenommen, trotz des Hundegeheuls. Mrs. Ward, die verzweifelt vor der Tür des verschlossenen Laboratoriums ihres Sohnes gelauscht hatte, schauderte, als sie die höllische Bedeutung dieser Stimme erkannte; denn Charles hatte ihr von deren unheilvollem Ruf in dunklen Büchern erzählt, und auch davon, wie sie, wenn man den Fenner-Briefen glauben konnte, donnernd über dem Bauernhof bei Pawtuxet ertönt war, in der Nacht von Joseph Curwens Vernichtung. Es konnte kein Zweifel über diesen nachtmahrhaften Spruch geben, denn Charles hatte ihn allzu lebhaft beschrieben, damals, als er noch freimütig von seinen Nachforschungen über Curwen erzählt hatte. Und doch war es nur dieses Fragment in einer archaischen und vergessenen Sprache: »DIES MIES JESCHET BOENE DOESEF DOU-VEMA ENITEMAUS.«Unmittelbar nach diesem Donner verdunkelte sich für einen Moment das Licht des Tages, obwohl es bis zum Sonnenuntergang noch eine Stunde war, und dann quoll ein neuer Gestank auf, anders als der erste, doch ebenso unbekannt und unerträglich. Charles hatte jetzt seinen Singsang wiederaufgenommen, und seine Mutter konnte Silben verstehen, die etwa wie folgt lauteten »Yinash-Yog-Sothoth-helglb-fi-throdag« und in einem »Yah!« endeten, dessen irrwitzige Lautstärke zu einem ohrenbetäubenden Crescendo anschwoll. Eine Sekunde später wurden alle bisherigen Eindrücke ausgelöscht durch den wimmernden Schrei, der mit rasender Explosivität ausbrach und sich nach und nach zu einem krampfhaften, diabolischen und hysterischen Gelächter wandelte. Hin und her gerissen zwischen Furcht und dem verzweifelten Mut einer Mutter, trat Mrs. Ward ein paar Schritte vor und klopfte zaghaft an die alles verbergende Holztür, doch sie erhielt keine Antwort. Wieder klopfte sie, hielt aber entnervt inne, als ein zweiter Schrei sich erhob, diesmal unverkennbar in der vertrauten Stimme ihres Sohnes, und im Gleichklang mit dem noch immer andauernden Gekecker jener anderen Stimme ertönte. Im nächsten Augenblick fiel sie in Ohnmacht, doch bis heute weiß sie nicht zu sagen, was der eigentliche und unmittelbare Anlaß dafür war. Das Gedächtnis versagt uns manchmal auf wohltätige Weise den Dienst.
Mr. Ward kam Viertel vor sechs aus dem Industriegebiet nach Hause, und als er seine Frau unten nicht fand, erfuhr er von den verschüchterten Dienstboten, sie beobachte wahrscheinlich Charles' Tür, hinter der seltsamere Geräusche als je zuvor ertönt seien. Er eilte unverzüglich die Treppe hinauf und fand Mrs. Ward der Länge nach auf dem Fußboden des Korridors vor dem Laboratorium liegen. Er folgerte sogleich, daß sie in Ohnmacht gefallen sei, und holte schnell ein Glas Wasser aus einem Krug, der in einer Nische des Korridors stand. Er schüttete ihr die kalte Flüssigkeit ins Gesicht und bemerkte zu seiner Freude, daß sie sofort reagierte; während er aber noch zusah, wie sie erstaunt die Augen öffnete, durchfuhr ihn ein Schreck, der ihn beinahe in jenen Zustand versetzt hätte, aus dem seine Frau eben aufgewacht war. Denn das scheinbar stille Laboratorium war keineswegs so still, wie er zunächst gedacht hatte, sondern von den gedämpften Lauten einer
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